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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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ein schwieriges Kind. Wenn Edmund etwas nicht passte, stimmte er ein solch intensives und ausdauerndes Gebrüll an, dass die Farbe seines runden Gesichtes erst rot, dann blau wurde. Einzig, wenn Maureen ihn auf den Arm nahm und leise Worte in sein Ohr flüsterte, war Edmund schnell zu beruhigen. Louisa wäre vor Entsetzen in Ohnmacht gefallen, hätte sie hören können, was Maureen zu dem Kind sagte: »Du abscheuliches kleines Balg, wirst du wohl ruhig sein! Du siehst schon jetzt deinem hässlichen Vater ähnlich, und ich hoffe nur, du bist nicht mein Bruder.«
    Maureen wusste zwar, dass das Baby nichts dafür konnte, einen Verbrecher als Vater zu haben. Manchmal schämte sich für ihr Verhalten, verschloss ihr Herz dann aber sofort vor jeglicher Gefühlsregung. Wenn sie mit Murdoch fertig war, dann würde auch Edmund davon profierten, nicht unter der Knute eines solchen Scheusals aufwachsen zu müssen.
    So vergingen die Sommertage in ruhiger Monotonie, bis eines Tages Louisa beiläufig mitteilte: »Ich erwarte morgen meinen Mann zurück.«
    L angsam und ruhig schritt Maureen die Treppe hinunter. Keine Regung in ihrem Gesicht, kein Zittern der Knie verrieten ihre Anspannung, die wie ein Sturm in ihrem Inneren tobte. Clifford Murdoch hatte sie zum Kaffee gebeten. Er hatte sie allerdings weniger gebeten, sondern durch ein Mädchen befehlen lassen, unverzüglich im Salon zu erscheinen. Das taubengraue, einfach geschnittene Kleid und ihr straff aus der Stirn nach hinten gekämmtes Haar ließen Maureen seriös und älter erscheinen. Vor der Tür zögerte sie einen Moment, holte tief Luft, klopfte an und trat nach Aufforderung hinein.
    Clifford Murdoch saß in einem Sessel vor dem Kamin. Er hatte sich nach hinten gelehnt und die Beine leger von sich gestreckt. Offenbar hielt er nicht viel von Kaffee oder Tee, denn in der Hand hielt er ein Glas, in dem eine hellbraune alkoholische Flüssigkeit schimmerte. Louisa saß neben ihm und sah nicht auf, als Maureen den Raum betrat.
    »Ah, da ist ja endlich die Erzieherin, von der mir meine Tochter seit einer Stunde unablässig erzählt.«
    Murdochs wässriger, vom Alkohol bereits getrübter Blick, richtete sich auf Maureen. Abschätzend ließ er seine Augen über ihre Gestalt gleiten. Offensichtlich war er von dem, was er sah, enttäuscht. Maureen trat einen Schritt vor und deutete einen höflichen Knicks an.
    »Es ist mir eine Freude, Euch daheim begrüßen zu können Mylord«, sagte sie unverbindlich.
    Murdochs rechte Augenbraue schoss in die Höhe.
    »Ich habe dir nicht erlaubt, das Wort an mich zu richten. In diesem Haus sprechen die Dienstboten nur, wenn ich es ihnen gestatte. Hast du das verstanden?«
    Maureen lag eine scharfe Zurechtweisung, er möge sie nicht einfach duzen, auf der Zunge. Murdoch hatte unmissverständlich dargestellt, auf welch niedriger Stufe sie in seinem Haushalt stand, deshalb presste sie die Backenzähne aufeinander, zählte innerlich bis zehn und rang sich ein demütiges »Ja, Sir« ab.
    Ächzend hievte Murdoch seinen massigen Körper aus dem Sessel.
    »Meine Frau sagt, du hast dich recht gut eingefügt. Was hast du zu deiner Anwesenheit zu sagen? Wie kommst du mit den Kindern zurecht?«
    »Ich fühle mich meiner Stellung gemäß angemessen behandelt, Sir«, erwiderte Maureen. All ihre Befürchtungen wurden in diesen Minuten bestätigt, und ein unbändiger Zorn kochte unter ihrer ruhigen Oberfläche. Seit Monaten hatte sie auf den Moment, dem Peiniger ihrer Mutter gegenüberzustehen, gewartet. Im Augenblick konnte sie nichts ausrichten und musste ihre Rolle als unterwürfige Angestellte so gut wie möglich spielen.
    »Ich fühle mich meiner Stellung gemäß angemessen behandelt«, äffte Murdoch sie in näselndem Tonfall nach. »Was ist das für eine Ausdrucksweise, Weib? Meinst wohl, du bist was Besseres? Woher kommst du eigentlich? Wo hast du vorher gedient?«
    Maureen hatte die Fragen erwartet und sie ein Dutzend Mal in Gedanken durchgespielt. Sie wusste, Clifford Murdoch würde sich nicht wie Louisa mit ausweichenden Antworten abspeisen lassen, daher sagte sie ohne zu zögern: »Ich lebte die letzten zwanzig Jahre in Cornwall. Im Frühjahr verlor ich innerhalb kurzer Zeit meinen Mann und meine Tochter. Daraufhin beschloss ich, meine Tante in Tadworth zu besuchen. Leider musste ich feststellen, dass auch sie kurz vor meiner Ankunft gestorben war. Im Dorf hörte ich, Ihr sucht ein Kindermädchen. So sprach ich bei Mylady vor.«
    »Hm ...« Murdoch

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