Im Schatten der Vergeltung
der Pfarrer der Gemeinde Tadworth nach Murdoch Hall und erteilte Susan Religionsunterricht. Das kleine Mädchen konnte noch nicht lesen oder schreiben, die zehn Gebote aber schon mühelos aufsagen. Plötzlich überfiel Louisa unerwartet eine Welle der Übelkeit, die so rasch verging, wie sie gekommen war. Sie presste beide Hände auf den Bauch. Deutlich erinnerte sie sich daran, wie sie nach Edmunds Geburt versucht hatte, ihrer Mutter ihren Kummer mitzuteilen, dass Clifford schon wieder ihr Bett aufsuchte und ihr unsägliche Schmerzen bereitete. Ihre Mutter hatte jedoch kein Wort davon hören wollen. Es war mehr als ungehörig, ein solches Thema anzusprechen, selbst zwischen Tochter und Mutter. Louisa war aber so verzweifelt gewesen, dass sie keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte.
»Du bist seine Frau und ihm untertan. Das ist das Schicksal von uns Frauen«, hatte ihre Mutter mit hochrotem Kopf gemurmelt.
»Aber ist es denn gesund? So kurz nach einer Geburt?«
Louisa erkannte die Erleichterung im Gesicht der Mutter, die hastig geantwortet hatte: »Du meinst, du könntest zu schnell wieder ein Kind erwarten? Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Solange deine Milch fließt, ist es nicht möglich.«
Ihre Mutter hatte sich geirrt. Obwohl Louisa den kleinen Edmund nicht stillte, war ihr Milchfluss erst nach sechs Wochen versiegt, und da befand sie sich bereits wieder in anderen Umständen. Noch zeigte ihr Körper keine Rundung, erinnerte sie aber täglich mit starken Übelkeiten daran, dass ein neues Leben in ihm heranwuchs.
Ein Diener trat auf die Terrasse und unterbrach Louisas Gedanken.
»Mylady, eine Frau wünscht Euch zu sprechen. Sie sagt, sie komme wegen einer Anstellung als Kindermädchen.«
Erstaunt sah Louisa auf. Heute schon? Clifford wollte sich doch erst nach seiner Reise nach einer geeigneten Person umhören. Es überraschte Louisa, dass ihr Mann so rasch gehandelt hatte, aber je eher, desto besser.
»Führ sie zu mir heraus«, gab sie die Anweisung. »Und bringe zwei Gläser mit kühler Limonade.«
Seufzend setzte sie sich aufrecht hin. Sie mochte es nicht, mit Dienstboten zu verhandeln. Das fiel in Cliffords Ressort, aber heute blieb ihr wohl nichts anders übrig.
Die Frau, die der Diener einen Augenblick später zu Louisa geleitete, war älter, als sie erwartet hätte. Ihre Kleidung war schlicht, an manchmal Stellen zwar geflickt, aber sauber. Sie hielt den Kopf hoch und begrüßte Louisa mit vollendeter Höflichkeit. Trotzdem konnte Louisa nicht verhindern, sich erneut klein und unbedeutend zu fühlen, denn die Fremde machte einen äußerst selbstbewussten Eindruck. Sie bemühte sich um ein freundliches Lächeln.
»Sie kommen wegen der Stellung?«
Die Frau nickte. »Ich hörte, Ihr benötigt ein Kindermädchen für Eure Tochter. Ich wollte Euch um diese Stellung ersuchen.« Sie drückte sich gewählt, aber nicht unterwürfig auf.
»Wie haben Sie davon erfahren?«, hakte Louisa nach. »Wurden Sie aus London von meinem Gatten, Lord Murdoch, geschickt?«
Nur zögernd kamen die Worte über Louisas Lippen. Sie hatte eine unerklärliche Scheu, diese selbstbewusste und sichtbar stolze Frau wie ein Dienstmädchen zu behandeln. Was trieb sie wohl dazu, in Stellung zu gehen? Vielleicht stammte sie aus einer guten, aber verarmten Familie und war gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ihre Kleidung war schlicht und ohne Zierrat, der Stoff allerdings von guter Qualität.
Offen erwiderte die Frau Louisas Blick und schüttelte den Kopf.
»Nein, Mylady, ich bin Eurem Gatten bisher nicht begegnet. Da ich alleinstehend bin, wollte ich meine Tante besuchen. Als ich nach Tadworth kam, ereilte mich jedoch die Nachricht, meine Verwandte wäre kürzlich gestorben. Sie war meine letzte Verwandte. Mir blieb nichts anderes übrig, als ein Zimmer zu mieten und darüber nachzudenken, was nun weiter geschehen soll. In einem Gespräch erwähnte die Wirtin, in Murdoch Hall wäre eine Stellung frei.«
Das klang plausibel und Louisa nickte zustimmend.
»Sie haben Erfahrung mit Kindern?«
»Ich kann Euch keine Referenzen bringen, wenn Ihr das meint. Ihr könnt jedoch versichert sein, ich werde mich um Eure Tochter wie um ein eigenes Kind kümmern.«
»Wir haben auch noch einen Sohn. Er wird derzeit von seiner Amme betreut.«
Maureen senkte zustimmend den Kopf.
»Die Wirtin erwähnte auch dieses. Wenn es Euch beliebt, bin ich gerne bereit, mich um den Jungen ebenfalls zu kümmern.«
»Sie
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