Im Schatten des Dämons
Schulter.
Bei der Verkehrsinsel standen sie:
Hundert Leute — oder mehr.
Alle glotzten herüber.
Einige Frauen hatten Schirme
aufgespannt.
„Wahnsinn!“ stammelte Karl. „Wir werden
von den Trümmern dieses Hauses erschlagen.“
„Ich glaube, alle sind draußen. Hauen
wir ab!“
Sie sprinteten los.
Keine zehn Schritte hatten sie sich entfernt,
als im Erdgeschoß die Bombe explodierte.
18. Hagerer mit falschen Zähnen
Zur selben Stunde betrat der unbekannte
Mann die Musikalienhandlung Wihold.
Er war groß, hager und hatte
offensichtlich falsche Zähne.
Zwar prasselte draußen der Regen — und
von Sonne keine Spur dennoch verbarg der Mann seine Augen hinter einer
Sonnenbrille.
Am Eingang faltete er seinen Schirm
zusammen.
„Was kann ich für Sie tun?“
Robert Wihold lächelte freundlich.
„Ich will Klarinette lernen“,
verkündete der Fremde großspurig. „Zeigen Sie mal so’n Ding.“
Wihold hatte schon Kunden
unterschiedlichster Art erlebt, war aber trotzdem befremdet.
Er legte eine Baßklarinette auf den
Verkaufstisch und erklärte, was Brille, Mundstück und Stürze ist — merkte
jedoch, daß der hagere Typ kaum zuhörte.
Dessen Aufmerksamkeit schien mehr ihm,
Wihold, zu gelten — auf eine lauernde Weise.
In diesem Moment kam Kathi herein und
brachte — wie immer um diese Zeit — für ihren Mann eine Tasse Tee.
Kathi nickte dem Kunden zu.
Dann passierte ihr ein Mißgeschick, wie
es sonst gar nicht ihrer Art entsprach.
Der Absatz blieb an der Teppichkante
hängen, und das Stolpern war unvermeidlich.
Platsch! — ergoß sich der Tee auf den
Ärmel des Hageren.
Wihold stockte der Atem.
Ein hellbeiges Jackett — und brauner,
fast schwarzer Assam-Tee!
„Passen Sie doch auf!“ brüllte der Typ.
Aber er fing sich sofort und setzte hinzu: „Na ja, kann vorkommen,
‘tschuldigung! Will mal nicht so sein.“
„Ich muß mich entschuldigen.“
Kathi war blaß geworden. Sie starrte
auf den Ärmel. „Das... Wir müssen das sofort rausreiben. Wenn es gleich...
Geben Sie mir Ihre Jacke, ja?“
Der Hagere zögerte. „Ist eigentlich
nicht... Na ja, vielleicht doch. Habe die Jacke ganz neu.“
Er wandte sich etwas ab.
Aber Wihold sah, wie der Mann eine kleine
Pistole aus dem Gürtel zog und rasch in die Hosentasche schob.
Kathi erhielt die Jacke, lief ins Bad
und war nach wenigen Minuten zurück.
Inzwischen hatte Wihold sich zweimal
Schweiß von der Stirn gewischt und dem Hageren eine kurze Tonfolge auf der
Klarinette vorgespielt.
„So, Ihre Jacke!“ sagte Kathi.
Anstelle der Teeflecke sah man nur noch
Wasserflecke.
Der Hagere war offensichtlich sauer.
Er murmelte, das mit der Klarinette
wolle er sich noch überlegen, griff nach seinem Schirm und verließ die
Musikalienhandlung.
„Der... hat eine Pistole“, sagte
Wihold.
„Eine Pistole?“
„Ja. Habe ich gesehen.“
„Vielleicht ist er Kriminalpolizist.“
„Jedenfalls völlig ungeeignet für
Klarinette. Nicht mal eine Triangel würde ich dem mit gutem Gewissen
verkaufen.“
Auch Roberts helles Sommerjackett hatte
einige Spritzer abbekommen.
„Struppi kratzt an der Hintertür“,
sagte Kathi und lief ins Haus.
Als Robert Wihold im Bad seine Jacke
auszog, um eigenhändig an den Flecken zu scheuern — sah er die Brieftasche.
Sie lag auf den Fliesen, braun und
ziemlich dick.
Wihold kannte sie nicht.
Die ist rausgefallen, dachte er, als
Kathi die Jacke von diesem... diesem Typ gesäubert hat.
Der Musikalienhändler widerstand nur
einen Moment. Dann siegte die Neugier.
Schmale Künstlerfinger klappten die
Brieftasche auf.
Sie enthielt gebündelte Hunderter —
etwa 5000 Mark. Sonst nichts.
Doch! Da in der Innentasche steckte ein
Foto.
Wihold zog es heraus — und erstarrte.
Das Foto war mit Teleobjektiv
aufgenommen und zeigte: ihn, Robert Wihold.
„Robert!“ rief Kathi von der Hintertür
her. „Ich muß noch vor 18 Uhr zu Dr. Prunk. Habe ganz vergessen, dir das zu
sagen. Er macht wieder eine Hypnosebehandlung mit mir. Vielleicht geht dann
dieses scheußliche Ohrensausen weg.“
19. Geständnis im Liegen
Scheiben zerklirrten. Glas prasselte
auf den Gehsteig.
Tim spürte, wie ein winziger Splitter
ihn ins Genick traf und piekte.
Das Krachen der Explosion dröhnte noch
in den Ohren. Aber keine Mauer barst. Das Haus schien nicht einzustürzen.
Im Laufen sah Tim sich um.
Sämtliche Fenster unten rechts im
Erdgeschoß waren zu Bruch gegangen. In einem der Räume zuckten Flammen auf.
Qualm
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