Im Schatten des Drachen
an, sieht dir zu, wie du es tust, und seine Hände streicheln verführerisch über deine Bauchmuskeln, während es an deiner Wange und in deiner Hand pulsiert ... Und dann, als du es fast nicht mehr aushältst ...“
„... WAS?“ keuchte ich drängend in den Hörer.
Paul presste die letzten Sätze zwischen den Zähnen hervor: „... beugt er sich über dich, und du siehst seine Brust, seinen Hals, seine Schultern und das Tatoo, ... den Drachen, der sich im Spiel seiner Muskeln bewegt ... Und dann wogt das Meer unter dir auf, die Gischt schäumt gegen den nackten Stein, spritzt auf, hoch in den blauen Himmel, während deine Hand hinaufgreift und du den Drachen berührst, die Härte spürst, seinen Schwanz, deinen Schwanz ...“
„Oh Gott, nein ...“
Im nächsten Moment spürte ich alles und gar nichts mehr, atmete schwer, während der Ozean über mich hinwegrollte mit all seinen goldenen Wellen, süß und köstlich. Ich schmeckte das Salz auf meinen Lippen, hörte das Rauschen der Brandung in meinen Ohren und spürte den pochenden Schauer in meiner Hand, mit der anderen den kleinen Drachen über mir zärtlich streichelnd.
Eine Ewigkeit später holte er mich in die Wirklichkeit meines Hotelzimmers zurück. „Wie geht es dir?“
Ich atmete tief durch. „Wunderbar. So etwas habe ich noch nie gemacht.“
Er gluckste: „Ich auch nicht. Und die Sache mit dem Drachen war mir völlig neu. Stehst du auf Tätowierungen?“
Ich schüttelte den Kopf, ergänzte dann: „Nein, nicht prinzipiell. Nur auf diese eine.“
„Aha“, kam es von ihm, und dann: „Ich hab’ jetzt wahnsinnigen Hunger. Steht es noch?“
Oh Gott, er wollte doch wohl nicht nochmal? Was glaubte er, was ich fertig brachte?! „Was denn?“
„Dein Angebot von vorhin natürlich.“
Ich unterdrückte ein erleichtertes Seufzen. So gut war er dann wohl doch nicht. „Na sicher. In einer halben Stunde, ja?“
„Okay. Und vergiss nicht, den Hotelboy zu bezirzen.“
Grinsend legte ich das Handy auf den Nachttisch, genoss noch ein Weilchen die unglaublich intensive Befriedigung, die sich gerade in mir ausbreitete. Seit langem einmal wieder.
Gut dreißig Minuten später saß ich im Frühstücksraum und blickte mit klopfendem Herzen zu der großen Flügeltür, durch die er jede Minute hereinkommen musste. Ich war voller Angst, Scham und einer gehörigen Portion schlechten Gewissens, weil ich in meiner eigenen Geilheit vorhin nicht darauf geachtet hatte, ob auch er zu seinem Recht gekommen war. Doch diese Selbstvorwürfe wechselten sich mit einer erstaunlichen Vorfreude und dem seltsamen Verlangen nach ihm ab - Emotionen, die mir nicht mehr so geläufig waren. Ich fürchtete mich vor dieser Gefühlsmischung, weil ich nicht wusste, was aus dem Cocktail in mir entstehen würde. Womöglich konnte ich das Experiment, das hier gerade stattfand, irgendwann nicht mehr kontrollieren.
Und ein Experiment war es ganz gewiss: zwei völlig fremde Komponenten, die aufeinander und miteinander reagierten wie chemische Elemente in einem Reagenzglas. Der Zufall löste den Reaktionsimpuls aus, und die Neugier spendete die notwendige Energie. Ich war nie besonders gut in Chemie gewesen, obwohl es mich immer fasziniert hatte, wie der glänzende Magnesiumspan unter Einwirkung von Hitze und Sauerstoff oxidierte, und wie man das in Formeln darstellen konnte. Für das allerdings, was hier mit mir und ihm geschah, kannte ich keine mathematische Gleichung.
Als ich Pauls Gestalt im Türrahmen erblickte, schrak ich unmerklich zusammen, und im nächsten Moment raste mein Herz davon. Seine roten Locken leuchteten in der Morgensonne, und das himmelblaue Hemd ließ seine Augen bis zu mir herüberstrahlen. Neben ihm stand der smarte Hotelboy, hielt mit gerecktem Hals nach mir Ausschau und führte meinen Gast an meinen Tisch. Ich hatte den Jungen über meinen Besuch informiert und ihm für seine Diskretion ein ordentliches Trinkgeld gegeben, das er mit roten Ohren und einem kessen Augenaufschlag angenommen hatte.
Paul zog mit einem strahlenden Lächeln den Stuhl zurück.
„Wie gesagt: ein nobler Schuppen mit vielen Extras.“
Er zwinkerte dem Hotelboy galant zu, worauf dessen Ohren noch mehr erröteten.
Ich schob ihm den Korb mit den Toasts zu und wartete, bis ihm Kaffee eingeschenkt worden war. Dann erwiderte ich: „Du hast dich vorhin aber auch nicht lumpen lassen. Eine ziemlich heftige Nummer, die du da abgezogen hast.“
Falls er jetzt verlegen wurde,
Weitere Kostenlose Bücher