Im Schatten des Drachen
den Atem an in Erwartung dessen, was jetzt unweigerlich geschehen musste. Denn es konnte nicht anders sein, als dass Johannes sich vorbeugte, seine Lippen suchend auf Marcs wundervoll weichen Mund legte, ihn mit seiner Zunge fragend öffnete und sich endlich fordernd Einlass verschaffte; dessen warmen, kräftigen Körper an sich zog und zu streicheln begann, bis sich Shirt und Jeans wie von selbst auf dem grünen Grasbett verteilten. Es konnte nichts anderes passieren, als dass er sich nackt und schutzlos dem hingab, was Marc in ihm auslöste, und den anderen mit sich und tief hinein in die unbezwingbaren Strudel riss, die unbarmherzig immer wieder gegen die kalten Steine zu ihren Füßen donnerten.
Das Wogen des Meeres glich dem Rausch, dem er sich hingab: sein hungriger Mund ging auf Wanderschaft über den festen Hals und die breite, braungebrannte Brust; seine neugierigen Hände vergruben sich in Tiefen, die zu ertauchen die Träume ungezählter Nächte erfüllt hatten; seine harten Brustspitzen rieben sich an der nackten Haut, als wäre sie Seide, süß und sinnlich und voll kratzender Sandkörner gewebt, die ihm Schauer über den Rücken jagten.
Endlich, endlich ließ Marc es zu, dass er ihn berührte, liebkoste, ihn spüren ließ, was seit Monaten in ihm brodelte wie heiße Gischt, die gleich tausend Schweißperlen auf seiner Haut prickelte, und im heißen Licht der Maisonne schien es, als würde sich der kleine Drache auf Marcs Schulter tatsächlich mit Leben füllen, ihn anfauchen und mit seinem Feuer verbrennen, während er auf seinen Flügeln dahin schwebte. Er hörte Marcs leises Stöhnen, voller Lust und Hingabe, und für Johannes gab es keinen Zweifel mehr daran, was er tun sollte und durfte.
„Ich liebe dich“, flüsterte er und streichelte das kleine Tatoo, „ich liebe dich so sehr, Marc, ich möchte ... so gern für immer bei dir sein, ganz nah ..., ganz tief.“ Mit unendlicher Zärtlichkeit schob er sich auf ihn.
In diesem Moment fuhr der Körper unter ihm wie elektrisiert zusammen, spannte sich an und stieß ihn brutal zurück. Johannes wich zur Seite, seine Erektion pumpte voll schmerzhaftem Verlangen. Marc rührte sich nicht, öffnete nur die Augen. Doch aus ihnen sprach keine Liebe, keine Wärme, keine Geborgenheit.
„Was soll das, Mann?! Hör auf!“
Die plötzliche Aggression in seiner Stimme war wie ein Dolch in Johannes’ Herz. Mit einem Ruck wand Marc sich ab und wich vor Johannes zurück. Verunsichert erhob der sich ebenfalls.
„Aber du hast es doch auch gewollt...“
„Dass du mich fickst?! DAVON war nie die Rede!“
Der Drache griff an, sein eben noch so sanftes, lockendes Schnauben war binnen Sekunden zu einem tödlichen Fauchen geworden; sein Feuer verbrannte Johannes Seele. Mit dem Mut wachsender Verzweiflung kämpfte er sich durch die Flammen.
„Aber du hast es zugelassen! Du hast mich gereizt, verführt, immer wieder! Glaubst du, Schwule sind gefühllose Sexmaschinen?“
Er wagte einen Schritt auf Marc zu, streckte die Hand nach ihm aus, eine stumme Bitte um ein wenig Halt in diesem Inferno aus Feuer und Gischt.
„Ich bin in dich verliebt, Marc, schon von Anfang an. Und ich dachte, du wärst es auch, und ... hast dich nur nicht getraut, es zuzugeben. Ich dachte ... ich mache ... den ersten Schritt ...“
Doch Marc wich weiter zurück, die blauen Augen voller Angst und Abscheu und wütenden Tränen.
„Verdammt, Jo, ich kann nicht! Ich kann nicht auf deiner Seite sein! Ich bin anders als du! Ich bin NICHT schwul! Das - das KANN einfach nicht sein, hörst du?! Du bringst alles durcheinander! Wir gehören nicht zusammen!“
Der Strudel riss ihn endgültig mit sich, zog ihn erbarmungslos in die Tiefe. Seine ausgestreckte Hand griff ins Leere, hielt nichts als den Wind in seinen Fingern, das Echo seines eigenen, verzweifelten Schreies.
„Nein, Marc, das ist nicht wahr! Maaarc!“
Kilkee, County Clare, 15. September 2007, ein Uhr nachts
„Matty, wake up! It’s all right, Matty, just wake up!“
Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, warum die Stimme in meinem Traum plötzlich Englisch sprach. Eine Hand streichelte sanft über meine schweißnasse Stirn und die bebenden Wangen, während süßer, warmer Atem über mein Gesicht strich. Ich wusste, dass das alles nicht mehr zu meinem Traum gehörte, und doch versuchte ich für einen verzweifelten Moment, die verschwommenen Bilder aus der Erinnerung mit jenen wohligen
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