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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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hustete. Anstelle von Widerwillen und Verachtung trat Resignation – und ein eigentümliches Glitzern in seine Augen. Rebeca beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund, während er nach wie vor hustete.
    Die Tür zum Nebenzimmer ging auf. Wankend erschien Jiacinto auf der Türschwelle. Beinahe fiel er darüber, wenn Rebeca nicht eilig aufgestanden wäre, um sich nun an ihn zu schmiegen und ihm dadurch Halt zu geben.
    »Victoria will also nichts mehr mit uns zu tun haben«, grölte er. »Ich wusste es schon immer. Es gibt keine wahre Liebe.«
    »So ist es«, stimmte Rebeca grinsend zu. »Es gibt keine Liebe. Es gibt nur uns drei.«
    Dann blies sie auch ihm Rauch ins Gesicht und küsste ihn auf den Mund.

20. Kapitel
    A urelia betrachtete sich im Spiegel und war sich nicht sicher, was sie von dem, was sie sah, halten sollte.
    Ohne Zweifel war sie schön anzusehen: Ihre Haare waren nach neuester Mode frisiert, die man als Jugendstillinie bezeichnete – die Strähnen wurden in kühn geschwungenen, ondulierten Wellen hochgesteckt und mit kleinen Schildpattkämmen gehalten. Damit die Frisur perfekt saß, brauchte es viel Zeit und Mühe – aber sie war es längst gewohnt, dass dies der Preis war, den man für Schönheit und Eleganz zu zahlen hatte, nämlich Stunde um Stunde zu verschwenden. Sie badete täglich, parfümierte sich, zupfte ihre Augenbrauen, rieb ihr Gesicht mit Kaiserborax ein, spülte die Haare mit Birkenwasser. Es war so selbstverständlich geworden; sie tat es hingebungsvoll, und manchmal genoss sie es auch. Nur jetzt, da sie vor dem Spiegel stand, fragte sie sich, ob ihr wirklich die alte Aurelia entgegenblickte oder nicht vielmehr ein Kunstwerk, das sie mit eigenem Fleiß, vor allem aber mit Hilfe unzähliger Zofen und Alicias Ratschlägen geschaffen hatte.
    Die gleiche Sorgfalt wie auf die Frisur hatte sie auch auf die Kleidung und den Schmuck verwendet. Das Armband aus Korallen passte vorzüglich zum lachsfarbenen Kleid, die Geschmeide und Ohrringe aus Perlen zu den glänzend weißen Spitzenärmeln. Sie hob die Hand, roch daran. Seit kurzem trug sie ein neues Parfüm, das eigens aus Europa importiert wurde, genauer gesagt aus Paris: Dort hatte der berühmte Modeschöpfer Paul Poiret sein erstes Parfüm, Rosine mit Namen, auf den Markt gebracht, und nicht nur bei den Pariserinnen war es heiß begehrt. Es roch vorzüglich, aber schien dennoch nicht zu ihr zu passen – genauso wie der Veilchenduft, der Alicia stets umgab, nicht zu dieser passte.
    An Alicias war nichts Süßes, Weiches – zumindest hatte Aurelia im ersten Jahr ihrer Ehe nichts davon wahrgenommen. Seit Tino auf der Welt war – ihr Sohn wurde seit seiner Geburt so genannt, denn keiner wollte Guillermos Namen aussprechen und dessen tragisches Ende heraufbeschwören –, hatte sie sich etwas geändert. Gegenüber Aurelia und dem Rest der Welt war Alicia immer noch steif und unnahbar, aber wenn sie bei Tino war und sich unbeobachtet glaubte, erschien oft ein hingebungsvolles Lächeln auf ihrem Gesicht, das Aurelia tief bewegte. Vielleicht hatte sie einst auch ihre Söhne auf diese Weise angesehen, solange sie noch klein waren und William nicht restlos über ihr Leben bestimmte. Vielleicht war Tino aber auch der erste Mensch, den sie richtig liebte. So oder so verbrachte sie weniger Zeit vor ihrem Altar oder in den vielen Kirchen der Stadt, sondern widmete die Nachmittage lieber dem Enkelsohn.
    Aurelia seufzte, als sie an Tino dachte. Übermächtig wurde die Sehnsucht, zu ihm zu gehen, ihn auf den Arm zu nehmen, an ihm zu riechen, sein glucksendes Lachen zu hören oder seine waghalsigen Versuche zu erleben, wie er auf speckigen Beinchen erste vorsichtige Schritte machte. Voll von Liebe war ihr Herz, als sie an ihn dachte – und zugleich so schwer.
    Sie hätte ihren Sohn am liebsten immer um sich gehabt, doch Alicia verwies stets auf die Pflichten, die eine Dame der Gesellschaft davon abhielten, sich ausschließlich dem Nachwuchs zu widmen. Sein Kinderzimmer befand sich zwar gleich gegenüber von ihrem Gemach, doch wann immer sie Tino sehen wollte, waren schon Alicia oder Saqui zur Stelle, überschütteten ihn mit Küssen und Umarmungen und gaben Aurelia das Gefühl, dass sie störte und er ihr nicht wirklich gehörte. Oft genügten abschätzige Blicke, sie zu vertreiben, manchmal erfand Alicia Vorwände, sie fortzuschicken – sie solle sich um Einladungen für die nächste Dinnerparty kümmern, das Kleid für den nächsten Ball

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