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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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beschlossen, die Nacht hier in der momentan stillgelegten Kupfermine zu verbringen, da die Unterkünfte, in denen bis vor kurzem die Arbeiter gelebt hatten, leer standen.
    Tiago schaute sich um. Die Baracken, die rund um die Mine erbaut worden waren, glichen einer Geisterstadt. Obwohl im Augenblick kein Kupfer abgebaut wurde, hing – wie über allen anderen Minen auch – eine gelbe Staubwolke. Erst letzte Woche hatte er zwei der größten Kupferminen besichtigt, in Lérida und Zaragoza, wo die Luft noch dicker war. Regelmäßig hatten Explosionen – »Schüsse«, die der Sprengmeister setzte, um in verschiedenen Tiefen das Kupfergestein zu sprengen – den Boden erschüttert, hier hingegen war es totenstill.
    Er blickte auf sich hinab, und stellte fest, dass sein Hemd innerhalb weniger Minuten völlig nass geschwitzt war. Zeit, schleunigst aufzubrechen. Wie er wohl Foster wach bekommen sollte? Und wo waren die Männer, in deren Begleitung sie gestern hier angekommen waren?
    Eine Weile hatten sie am Abend noch mitgetrunken, sich dann aber zum Kartenspiel zurückgezogen.
    Als Tiago aus den Augenwinkeln einen Schatten wahrnahm, hob er den Kopf wieder und öffnete schon – überzeugt, dass Foster zu sich gekommen wäre – den Mund, um einen guten Morgen zu wünschen. Stattdessen trat ein Mann unvermittelt auf ihn zu, den er hier am allerwenigsten erwartet hatte.
    Tiago riss die Augen auf, Kopfschmerzen und Hitze waren vergessen. Er blickte den anderen an wie ein Gespenst.
    »Was, zum Teufel, machst du hier?«, entfuhr es ihm.
    Es war Andrés, der wie aus dem Nichts hier aufgetaucht war. Wie Tiago war ihm deutlich anzusehen, dass er unter der Hitze litt, doch es war noch etwas anderes, was seinen Blick verschleierte, Tiago aber nicht deuten konnte: Verachtung? Beschämung? Trotz?
    »Ich bin dir nach Iquique nachgereist. Dort habe ich erfahren, dass du hier bist«, setzte Andrés grußlos an. Sie standen bloß einen Meter voneinander entfernt, doch keiner machte Anstalten, auf den anderen zuzutreten und ihm die Hand zu reichen.
    Tiago versteifte sich unwillkürlich. »Wir haben uns seit Wochen nicht gesehen, und du kannst nicht einmal einen Tag warten, bis ich nach Iquique zurückkehre?«
    »Ich wusste doch nicht, ob du wieder dorthin fährst – oder direkt nach Santiago. Und ich wollte nicht länger aufschieben, mit dir zu reden.«
    Tiago konnte seine Miene weiterhin nicht deuten und feststellen, ob er eher zerknirscht blickte oder verschlagen. Doch hier, in der alles versengenden Gluthitze, war die Erinnerung daran, wie Andrés Aurelia umarmt hatte, nicht mehr ganz so klar, sondern schien unter jenem gelben Staub zu liegen, der die Luft verpestete.
    »Nun gut, du bist also hier. Dann rede mit mir!«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
    Andrés zögerte. »Ich brauche unbedingt etwas zu trinken, ich habe Stunden auf einem Pferderücken verbracht. Meine Kehle ist so trocken, als hätte ich kiloweise Sand verschluckt.«
    Tiago fühlte gleichen Durst. Er deutete auf den Brunnen, und schweigend schöpften sie einen Eimer Wasser, um gierig daraus zu trinken. Es war trüb und warm und erfrischte nicht, aber hinterher hatte Tiago das Gefühl, dass der Druck auf seinen Schläfen ein wenig nachgelassen hatte.
    »Also, rede!«, knurrte er.
    »Gibt es hier nicht irgendwo ein schattiges Plätzchen?«, gab Andrés zurück.
    Tiago wollte auf eine der verwaisten Wellblechhütten deuten, entschied sich jedoch dann anders. »Dort hinten sind die stillgelegten Stollen«, sagte er, »sie sind nicht sonderlich tief, aber es scheint dort etwas kühler zu sein.«
    Schweigend machten sie sich auf den Weg. Ihre Schritte gerieten schleppend; die Sonne lastete auf ihnen wie Tonnen von Gestein. Einmal streifte Tiago ein Schatten, und er blickte voller Hoffnung hoch, dass sich eine der seltenen Wolken vor die Sonne schob. Doch es war nur ein Geier, der dort oben seine Kreise zog. Trotz der Hitze überkam ihn Unbehagen.
    Wer vom Schatten eines Geiers gestreift wird, so sagte man in der Wüste, der hatte nicht mehr lange zu leben …
    Er schüttelte den Kopf. Dummer Aberglaube!
    »Also, rede!«, rief er wieder, als sie sich ausreichend von der Mine entfernt hatten. Die stillgelegten Stollen waren teilweise zusammengebrochen; andere glichen tiefen Furchen, die man in den grauen Boden gezogen hatte. Die Hügel aufgeschütteter Erde versprachen wenigstens ein bisschen Schatten.
    In Andrés’ Kopf schien es zu arbeiten, seine Kiefer

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