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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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ich wieder zu zeichnen beginne.«
    »Dann tu es, wenn es das ist, was du willst!«
    »Ach«, seufzte Aurelia, »ich will so vieles. Vor allem will ich Tino zurück. Meinen Sohn, Tiagos Sohn! Ich … ich kann doch nicht zulassen, dass man ihn mir einfach wegnimmt. Ich habe nur keine Ahnung, wie ich das anstellen soll.«
    Schwer sank ihr Kopf auf das Kissen. Zögerlich setzte Pepe sich auf den Bettrand.
    »Jemand wie ich würde daran scheitern. Jemand wie du kann es schaffen. Weißt du: Ich hatte immer das Gefühl, nach dem Tod meines Vaters für meine Mutter da sein zu müssen, aber mittlerweile denke ich oft, dass sie ihn gar nicht brauchte – und mich noch weniger. Und dass ich nur darum bleibe, um zu beweisen, dass sie eben doch jemanden braucht – erst ihn, dann mich. Wie ich es auch drehe und wende – ich komme nicht gegen sie an. Aber du … du musst dich aufraffen, du musst stark sein, du musst um deinen Sohn kämpfen!«
    Selten hatte sie ihn so eindringlich sprechen gehört. Als er endete, war sein Gesicht glühend rot. Er schien nach etwas zu heischen, was sie nicht genau benennen konnte. Sie wusste nur, dass sie ihn nicht enttäuschen durfte. Und Victoria auch nicht. Vor sich selbst hätte sie sich vielleicht rechtfertigen können, wenn sie jetzt aufgab – vor den beiden nicht.
    Aurelia nickte entschlossen. »Ich werde essen, ich werde genug schlafen, ich werde wieder zu Kräften kommen. Und dann … dann werde ich mir Tino zurückholen.«

28. Kapitel
    A urelia wartete lange vor dem Haus der Familie Brown y Alvarados, ehe sie es zum ersten Mal durch den Dienstboteneingang betrat. Erinnerungen an jenen Tag wurden wach, da sie hier schon einmal gestanden hatte, auf der Suche nach Tiago und von Andrés überrascht, der sie über den Reichtum seiner Familie aufgeklärt hatte. An diesem Tag hatte sie das Haus gar nicht betreten – später nur durch den Haupteingang. Ein fremder Ort war für sie darum jener Teil des Anwesens, der noch hinter dem Patio lag, in dem sie manche Stunde verbracht hatte. Es roch durchdringend nach Kräutern, die hier jemand an der weiß gekalkten Hauswand gesät hatte, nach getrocknetem Schinken, der in der despensa, der Speisekammer, abhing, und nach Pferden und Hunden, weil Stall und Zwinger in unmittelbarer Nähe waren. Aus den Hühnerställen erklang Gegacker, aus den dunklen Lehmhütten, wo die Dienstboten schliefen, Gemurmel.
    Warum bin ich nie hier gewesen?, ging es Aurelia durch den Kopf. Warum habe ich mich nie für ihr Leben interessiert?
    Es hatte doch nicht viel gegeben, womit sie sich sonst die Zeit vertrieben hatte – außer neue Kleider zu probieren, die Schönheit zu pflegen und auf Tiago zu warten. Und die wenigen Stunden zu genießen, da Tino nicht ganz und gar von Saqui und Alicia vereinnahmt worden war.
    Ach, Tino …
    Beim Gedanken an ihren Sohn atmete sie tief durch. Tagelang hatte sie mit Valentina und Pepe darüber diskutiert, wie sie ihr Kind zurückbekommen könnte. Rasch waren sie sich einig geworden, dass sie unmöglich auf Williams guten Willen zählen konnte, zumal das Recht auf seiner Seite war und er – selbst wenn es nicht so gewesen wäre – das Geld und die Kontakte hatte, um dieses Recht zu brechen.
    »Besser also, du brichst es«, hatte Valentina gesagt. »Bist du bereit, deinen eigenen Sohn zu entführen?«
    Aurelia war erschaudert, aber das brachte ihren Willen nicht ins Schwanken, um Tino zu kämpfen: »Ich bin bereit. Ich lasse mir Tino nicht nehmen.«
    Als sie nun den vertrauten Patio betrat, wich jener Wille der Traurigkeit. Hier am Springbrunnen hatte sie oft gesessen, als sie mit Tino schwanger gewesen war. Sie hatte sich auf das Kind gefreut, voller Liebe an Tiago gedacht … und sich gelangweilt, weil sie nicht malen konnte.
    Sie schüttelte den Kopf, um sich nicht länger von Erinnerungen überwältigen zu lassen. Jetzt war der falsche Moment dafür, jetzt musste sie handeln.
    Entsprechend dem Plan, den sie mit Pepe und Valentina zurechtgelegt hatte, hatte sie vorhin mit Pepe in der Droschke gewartet, bis William das Haus verließ. Dann war Valentina zum Einsatz gekommen: Sie sollte Alicia einen Besuch abstatten und diese für etwa eine halbe Stunde ablenken – eine Zeitspanne, in der Aurelia das Haus betreten und allen Dienstboten, denen sie begegnete, freimütig erklären würde, dass sie wieder zurück sei. Jene würden zwar gewiss darüber verwundert sein, würden diesen Umstand aber nicht weiter hinterfragen, da

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