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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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dem weichen Singsang, sondern war hart, fast ein wenig verächtlich. Ihr Gesicht verzog sich empört, als sie auf Aurelia zutrat und ihr Tino entreißen wollte. Erst stand Aurelia wie starr, doch dann wich sie ihr im letzten Moment aus.
    Tino entging die Spannung zwischen den zwei Frauen. Dass die eine fordernd die Hände ausstreckte, die andere immer weiter zurückwich, hielt er für ein lustiges Spiel, denn er gluckste weiterhin. Vielleicht war es dieser Laut, der Saqui schließlich dazu brachte, ihre Hände sinken zu lassen, doch ihr Gesicht blieb streng.
    »Bitte, Saqui!«, rief Aurelia verzweifelt. »William und Alicia haben mich abgeschoben, aber ich kann mein Kind doch nicht im Stich lassen. Er sollte bei seiner Mutter sein, nicht wahr? Es ist ein Unrecht, ihn mir zu rauben!«
    Eine Falte zeigte sich auf Saquis Stirn. So entschlossen sie eben noch war, der anderen das Kind wegzunehmen, so deutlich war nun ihr Zögern. Treue zu ihrem Herrn und Liebe zu Tino kämpften mit tiefen Instinkten, was recht war und was nicht.
    »Saqui!«, flehte Aurelia. »Ich bin doch Tiagos Frau! Und du weißt genau, was er von dir erwartet hätte! Er würde wollen, dass Tino bei mir aufwächst. Bitte … bitte hilf mir! Komm meinetwegen mit mir. Aber lass nicht zu, dass William ihn mir nimmt!«
    Saquis Miene war immer noch von widerstreitenden Gefühlen zerrissen.
    »William hat mich auf einer Hacienda festgehalten. Ich bin unter großen Gefahren von dort geflohen, und ich wäre fast gestorben …«
    Abrupt hob Saqui ihre Hände. »Geben Sie ihn mir!«, fauchte sie unvermittelt.
    Aurelia sank das Herz, aber zugleich umklammerte sie Tino noch fester. »Nein, das werde ich nicht!«, erwiderte sie stur.
    »Und ich werde nicht zulassen, dass Tino bei einer verfluchten Mapuche aufwächst!«, geiferte Saqui.
    Aurelia starrte sie verwirrt an. Sie hatte all die Jahre damit leben müssen, dass Saqui vom Geheimnis ihrer Herkunft wusste – und dies war ein Grund gewesen, warum sie sie stets ein wenig gescheut hatte. Sie war sich jedoch sicher gewesen, dass sie es für sich behalten würde – nicht um ihretwillen, sondern um Tiagos willen. »Eine verfluchte Mapuche?«, fragte Aurelia. »Aber Saqui – du bist doch selbst eine!«
    »Eben!«, zischte sie. »Ich wäre immer auf Ihrer Seite gestanden, ich habe mich so gefreut, dass Tiago Sie erwählt hat, ich habe um Ihre Freundschaft geworben. Aber erinnern Sie sich noch daran, Doña Aurelia, wie Sie mich behandelt haben? Ganz so, als gehörte ich zu einem Volk, das man zutiefst verachten müsste! So hat Tiago mich nie behandelt.«
    Aurelia schoss die Schamesröte ins Gesicht, als sie an jenen Tag dachte, da sie eingekleidet worden war. Sie wusste nicht mehr genau, was sie zu Saqui gesagt hatte, nur dass sie in ihrer Furcht viel zu weit gegangen war und die andere bitter gekränkt hatte.
    »Ach, Saqui, ich weiß, wie verletzt du gewesen sein musstest. Glaub mir, es tut mir leid. Ich kann es nicht mehr zurücknehmen, ich kann dir nur sagen, dass ich aus Not so gehandelt habe, nicht weil ich dich wirklich verachtet habe. Es war doch nur, weil William …«
    Sie sprach immer schneller, immer verzweifelter und wusste trotzdem mit jedem Wort, dass es zu spät war. Saquis Gesichtsausdruck wurde plötzlich ganz hart und stolz – und Aurelia hatte noch nicht geendet, als sie laut und schrill zu schreien begann: Sie schrie nach Alicia, und sie schrie um Hilfe … vor ihr.

    Alicia bewahrte wie immer Haltung. Zwar war sie deutlich abgemagert, so dass die Wangenknochen spitz aus dem bleichen Gesicht hervorstachen; ihr Haar war in den wenigen Wochen an den Schläfen ergraut und das Netz an Falten unter ihren Augen dichter geworden, aber sie zeigte vollkommene Selbstbeherrschung. Sie schien weder überrascht noch erschrocken, Aurelia hier zu sehen, sondern starrte sie nur ausdruckslos an, während Aurelia Tino an sich drückte – ein Zeichen, dass sie ihn nicht wieder hergeben würde und entschlossen war, um ihn zu kämpfen. So vermeintlich selbstsicher sie die Schultern jedoch straffte – im Inneren sank ihre Hoffnung. Der Kleine bemerkte die Unruhe, die plötzlich die fremde Mutter ergriffen hatte, begann zu quengeln und sich in ihren Armen zu winden.
    Saqui machte ein triumphierendes Gesicht – Valentina, die Alicia in den Raum gefolgt war, dagegen ein resigniertes. Aurelia ahnte, dass sie ihr nicht würde helfen können, und forderte sie mit einem knappen Nicken auf, zu gehen und die Sache

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