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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Rangelei aus, dass man meinen konnte, ihre zwei Leiber seien zu einem zusammengewachsen. Schwer war es, die Fäuste auseinanderzuhalten, die immer mal wieder aus dem Knäuel an Sehnen und Knochen hervorragten, um des anderen Gesicht zu treffen.
    Wie Aurelia und Victoria waren auch alle anderen ins Freie gerannt. Während Dora und Clara mit beschämten Gesichtern auf das Spektakel blickten, schrie Rita erbost, was denn geschehen sei, eben noch hätten sie friedlich beim Abendmahl zusammengesessen. Balthasar stellte keine Fragen, sondern versuchte, die Raufbolde zu treffen – mit der Konsequenz, dass er selbst einen Schlag abbekam und sich wankend die Seite hielt. Rita schrie entsetzt auf, während Ana das ganze nur stoisch betrachtete. »Reg dich nicht auf«, meinte sie, »jungen Männern hat es noch nie geschadet, wenn sie ihre Kräfte auf diese Weise verschleudern.«
    Schließlich war es Maril, der den Kampf beendete, indem er über den beiden Streithähnen einfach einen Eimer kalten Wasser ausgoss. Sofort fuhren sie auseinander, rieben sich prustend die Augen und schlotterten vor Kälte. Rasch sprangen sie auf und blieben ganz dicht voreinander stehen, die Körper steif, als wären sie Raubtiere, die zum neuerlichen Sprung ansetzten.
    Aurelia ging hastig dazwischen: »Was ist denn hier los? Habt ihr den Verstand verloren?«
    Die Antwort blieb aus.
    Nachdenklich betrachtete Victoria ihre Stieftöchter, die weiterhin ziemlich verlegen wirkten. Langsam kam ihr ein Verdacht.
    »Was habt ihr getan?«, fragte sie streng. »Ihr habt das Ganze doch angezettelt, oder nicht?«
    Dora reckte hochmütig ihr Kinn, während Clara kleinlaut den Kopf senkte.
    »Ich höre!«, sagte Victoria kalt.
    Aus Doras Mund kam kein Laut, aber Clara bekannte verlegen: »Nach dem Abendessen … als wir ins Freie gingen … da haben wir die Rollen vertauscht …«
    Victoria runzelte ihre Stirn. Rita indessen fuhr Emilio und Arturo an: »Und darum musstet ihr euch prügeln?«
    Schweigen senkte sich über sie, mancher Kiefer mahlte. Plötzlich löste sich Arturo aus der Starre, deutete vorwurfsvoll auf seinen Bruder und schrie: »Er hat Dora geküsst!«
    Balthasar, der befürchtete, dass die Söhne gleich weiter aufeinander losgehen würden, stellte sich schnell dazwischen und wollte Arturo festhalten. Doch der entwand sich dem Griff, stapfte grimmig davon und schwang sich alsbald auf sein Pferd, das wie die anderen im Hof angebunden war.
    »Wo willst du denn jetzt hinreiten?«, rief Rita. »Es wird doch gleich Nacht!«
    Arturo hörte nicht auf sie, sondern gab dem Tier die Sporen.
    »Lass ihn«, meinte Balthasar resigniert. »Um den Kopf frei zu kriegen, ist nichts besser, als ihn in den patagonischen Wind zu halten.«
    »Kann mir jetzt endlich jemand erklären, was passiert ist?«, fragte Victoria streng.
    Clara senkte ihren Kopf immer tiefer, bekannte aber dann endlich kleinmütig: »Wie gesagt, wir haben uns einen kleinen Spaß erlaubt und die Rollen getauscht. Gleich nach dem Abendessen. Wir sind mit den Jungs ins Freie gegangen, um dort Tabano zu spielen – du weißt, das ist das Spiel mit den Kuhknochen. Man muss sie über eine in den Staub gezogene Linie bewegen, so dass sie mit der eingekerbten Seite nach oben fallen.«
    Victoria hatte noch nie von diesem Spiel gehört. »Und weiter?«
    »Nun, die ganze Zeit habe ich so getan, als wäre ich Dora, und Dora hat so getan, als wäre sie ich. Und dann hat Emilio Dora zur Seite genommen, wobei er eigentlich glaubte, das wäre ich. Und dann hat er Dora geküsst, obwohl er mich küssen wollte, aber das wusste er ja nicht.«
    »Was ist dann passiert?«, fragte Victoria und hatte Mühe, die verworrene Geschichte zu begreifen.
    »Nun, dann hat Dora gelacht und den Irrtum aufgeklärt, und Emilio war beschämt, und Arturo war sehr ärgerlich, weil er selbst ja Dora küssen wollte, aber ihm nun Emilio zuvorgekommen war. Der kann eigentlich nichts dafür, weil er ja mich küssen wollte und nicht Dora. Auf jeden Fall …«
    Sie brach ab.
    »Auf jeden Fall haben sie sich geprügelt«, schloss Dora.
    Während Clara todunglücklich wirkte, zog Dora eine Grimasse und wirkte nicht länger verlegen, sondern zufrieden, weil sie für so viel Unruhe gesorgt hatte. Seit Tagen hatte Victoria schon das Gefühl, dass sie sich hier langweilen würde, weil sie hier nicht ihrer liebsten Beschäftigung – dem Kochen – nachgehen konnte. Noch mehr Sorgen machte ihr aber Clara. Victoria war sich sicher, dass

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