Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
bedrängte sie Aurelia, als diese stumm blieb.
    »Ich dachte an Die Farben Chiles. «
    »Großartig!«, rief Kate. »Dann weiß man sogleich, aus welchem Land es stammt.« Sie rieb sich die Hände. »Also, ich kaufe es, egal, welchen Preis Sie verlangen. Ich bringe von jeder Reise Andenken mit – und das hier wird ein ganz besonderes sein.«
    »Aber es ist nicht …«, begann Aurelia.
    »Natürlich ist es verkäuflich«, fiel Victoria ihr sofort ins Wort, »und Sie können gerne noch weitere Bilder erstehen. Aurelia malt nun schon seit Jahren völlig zurückgezogen, und kaum jemand hat ihre Bilder je gesehen. Ein Jammer, wenn Sie mich fragen.«
    »Ein Jammer!«, echote Kate – und in ihren Augen glänzte es. Offenbar fand sie die Vorstellung, wie eine schöne, traurige Frau inmitten der Einsamkeit Patagoniens Bild um Bild malte, hoch romantisch. »Wirklich ein Jammer!«, wiederholte sie. »Sie sollten sich wahrlich nicht verstecken. Und Ihre Bilder auch nicht!«
    Victoria überlegte kurz und sagte dann entschlossen: »In Aurelias Blut fließt übrigens das der Mapuche …«
    Sie hatte sich nicht getäuscht – in Kates Gesicht breitete sich keine Verachtung aus, sondern noch mehr Begeisterung. Sie schmatzte mit den Lippen, als würde sie eine seltene Delikatesse verspeisen.
    »Ein stolzes Volk nach allem, was ich gehört habe!«, rief sie.
    Victoria sah, dass Aurelia etwas sagen wollte, schüttelte aber energisch den Kopf und sagte ihrerseits: »Ich wusste, dass man sich auf Ihr Gespür für fremde Kulturen verlassen kann.«
    Sie konnte sich den Spott nicht ganz verkneifen, doch Kate war taub dafür. Sie betrachtete das Bild hingerissen. »Ja, ich werde es kaufen, ich werde es all meinen Freunden zeigen, das sind viele, und ich werde …« Sie verstummte, denn plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Ich habe eine Idee: Warum begleiten Sie mich nicht einfach nach New York?«

32. Kapitel
    I m Hafen von Southampton herrschte wie immer geschäftiges Treiben, und Jacob musste aus voller Kehle schreien, damit die Arbeiter ihn hörten. Mit der Zeit schmerzte sein Hals, aber immerhin stellte er zufrieden fest, dass die Männer ihm ganz selbstverständlich Respekt zollten. In seinen Anfangsjahren in England war das nicht so gewesen.
    In diesen Wochen sollte eine neue Lagerhalle gebaut werden, deren Größe alle bisherigen Dimensionen sprengte, und zu Jacobs Freude hatte ihm Lawrence die alleinige Bauaufsicht erteilt. Auch das wäre früher, zu Beginn ihrer Zusammenarbeit, noch undenkbar gewesen, aber mit dem Krieg hatte sich vieles, nein, eigentlich fast alles geändert.
    »Schauen Sie doch nur!«, hörte er plötzlich eine Stimme neben sich. Er fuhr herum, sah einen Arbeiter dort stehen und ängstlich auf den Himmel deuten. Jacob folgte seinem Blick und unterdrückte einen Fluch.
    »Regen zieht auf«, murmelte der Arbeiter, »vielleicht ein Gewitter.«
    Über ihnen war der Himmel noch grau, aber in der Ferne türmten sich dunkle Wolken. Das Meer rauschte lauter als sonst, und in der Luft lag die eigentümliche Spannung, die ein Unwetter ankündigte.
    Jacob fluchte erneut – sie waren zeitlich ohnehin schon im Verzug.
    »Sollen wir für heute abbrechen?«, fragte der Arbeiter.
    Er schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil – solange das Gewitter noch nicht über uns hereinbricht, gilt es, noch zügiger zu arbeiten.«
    Wieder erteilte er laut rufend Befehle, dann ging er selbst mit gutem Beispiel voran und kletterte über eine Leiter aufs Dach, um von dort oben den Fortgang des Baus zu überwachen. Die dunklen Wolken kamen schnell näher, das Meer, eben noch graugrün, schien sich schwarz zu färben.
    Jacob starrte kurz nachdenklich darauf. Eigentlich liebte er den Anblick des Meers – dieser war es auch gewesen, der ihn mit England versöhnt hatte.
    Als er seinerzeit mit Lawrence in London eingetroffen war, hatte er sofort erkannt, dass er sich schwer getäuscht hatte und dies niemals seine Heimat gewesen war. Vielleicht hatte er einst einige Tage hier verbracht, vielleicht war auch die Frau an seiner Seite gewesen, die er liebte. Aber ganz sicher war er hier nicht aufgewachsen.
    Der stetige Nieselregen hatte ihm ebenso zugesetzt wie das Grau, das seine Erinnerungen verschleierte. Hätte er gewusst, wohin er sonst gehen sollte, er wäre sofort aufgebrochen. Aber er wusste es nicht, und so blieb er, hatte sich in die Arbeit gestürzt und war nach und nach zu Lawrence’ gleichberechtigtem Partner geworden. Sein Können als

Weitere Kostenlose Bücher