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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Valentina an.
    Diese blickte hoch, als Victoria in den Raum stürmte, doch sie hatte die Zigarette wohl weder gerochen noch gesehen, sondern machte sich selbst an der Druckerpresse zu schaffen, um ein Schriftstück zu kopieren. Ob sie wusste, dass diese eben noch in Betrieb gewesen war, ließ sie nicht erkennen.
    »Ich fechte ebenfalls meinen Kampf um mehr Frauenrechte aus«, erklärte sie ungefragt, »wenn auch auf etwas andere Weise als du.«
    Victoria stellte sich vor die Vase, brachte unauffällig die Zigarette an sich und versteckte sie in der Tasche ihres weiten Kleids. Dann trat sie zur Druckerpresse.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    Valentina lächelte nur stolz.
    Schon früher hatte sie erzählt, dass sie regelmäßig Artikel für die Frauenmagazine geschrieben hatte, La Aurora, La Palanca und La Alborada. Zwar waren alle diese nur sporadisch erschienen und mittlerweile eingestellt, doch das hielt Valentina nicht davon ab, weiter mit spitzer Feder gegen den »Machismo« zu wettern, die Reform des Zivilcodes zugunsten der Frauen zu diskutieren, deren wirtschaftliche Unabhängigkeit einzufordern oder die seidenen Ketten zu beklagen, in denen sie gefangen wären. Wenn es auch die großen Frauenzeitschriften nicht mehr gab – solche wie die Revista de la Mujer wurden immer noch gelesen.
    Victoria nahm eines von den Blättern und las den Text. »Ich sehe mich als Feministin, denn ich will, dass die intellektuellen Fähigkeiten einer Frau anerkannt werden und dass sie von keiner Aktivität des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen ist. Jede Frau sollte befähigt sein, einen Beruf auszuüben, und sie sollte an der Regierung teilnehmen, die Gesetze mitbestimmen, unter denen sie lebt.« Sie ließ das Blatt sinken. »Hast du das geschrieben?«
    »Nein, das ist das Zitat einer anderen Feministin – aber ich vervielfältige es gerne und lege es in der Buchhandlung aus.«
    Victoria nickte anerkennend. Nun, da sie die Zigarette hatte verschwinden lassen, wollte sie sich umdrehen und gehen, doch plötzlich blickte Valentina auf und erklärte ungewohnt scharf: »Lauf ihm nicht hinterher.«
    »Bitte?«, entfuhr es Victoria.
    Valentina betrachtete sie nachdenklich. So abrupt sie ihre Mahnung ausgesprochen hatte, so sorgsam schien sie abzuwägen, ob es noch etwas zu sagen galt oder besser nicht.
    Schließlich murmelte sie: »Vorhin, als Pepe und ich zurückkamen, habe ich dich mit diesem jungen Mann gesehen. Und ich denke mir: Du musst ihm nichts beweisen. Und deinen Eltern auch nichts. Sie wussten zeit ihres Lebens, dass du ein Mädchen bist, auf das sie stolz sein können.«
    Victoria hatte keine Ahnung, was Jiacinto mit ihren Eltern zu tun haben sollte. Ärger stieg in ihr hoch. Manchmal wünschte sie sich von Valentina mehr Anteilnahme an ihrem Leben, doch nun erschienen ihr die Worte als dreiste Einmischung in Dinge, die sie nichts angingen. Sie öffnete den Mund, um sich und auch Jiacinto zu verteidigen, doch da ihr nichts Rechtes einfiel, was sie den Worten entgegensetzen konnte, ging sie zum Gegenangriff über.
    »Du bist Feministin und als solche der Meinung, dass eine Frau ihren Wert und ihre Rechte nicht daraus bezieht, irgendjemandes Gattin zu sein. Doch trotz dieser Überzeugung, trotz der vielen Artikel, die du schreibst, dreht sich so vieles in deinem Leben nur um den verstorbenen Francisco. Manchmal sieht es so aus, als wärst du in erster Linie keine selbständige Frau, sondern vor allem seine Witwe.«
    Wenn Valentina gekränkt war, so zeigte sie es nicht. Ihr schmales Lächeln bekundete eher Belustigung.
    »Ach was«, gab sie leichtfertig zu, »ich kann mich nicht einmal mehr genau an Francisco erinnern. Wenn ich nicht täglich sein Porträt musterte, ich wüsste nicht, wie er ausgesehen hat.«
    Victoria riss die Augen auf. »Aber warum verhält es sich dann in diesem Hause so, als lebte ein Verstorbener unter uns?«
    »Weil Pepe das braucht«, erklärte Valentina schlicht. »Du kennst ihn doch. Er war ein schwächlicher Knabe, und jetzt ist er ein schwächlicher Mann. Er nörgelt ständig, aber es fällt ihm schwer, seine Meinung zu sagen; hat er zehn Schritte schnell zu gehen, gerät er aus der Puste. Und anstatt das Leben als großes Wagnis anzupacken, sieht er hinter jeder Ecke eine Gefahr lauern, vor der er sich schnellstmöglich in die Buchhandlung verkriecht. Als Gott bei seiner Geburt seine Gaben verteilte, gehörten Willensstärke und Rückgrat nur in beschränktem Maße dazu. Er braucht

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