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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wieder zurück und konnte es beinahe nicht fassen, was sie getan hatte.
    Dennoch erklärte sie fest: »Das will ich.«
    Sanft ergriff er ihre Hand, zog sie von seinem Nacken, hielt sie kurz und ließ sie dann los.
    »Ach, weißt du«, meinte er leichtfertig, »die meisten Anarchisten glauben an die freie Liebe. Ich hingegen glaube nur an die Freiheit, an die Liebe nicht.«
    Sie wollte sich die Kränkung über die Zurückweisung nicht anmerken lassen. »Aber in deinem Leben gibt es auch Frauen«, beharrte sie trotzig. »Ich habe sie bei euch in der Wohnung gesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit ihnen nur über Politik diskutierst.«
    Er legte seinen Kopf in den Nacken und lachte wieder, nur dass es seltsam unnatürlich klang.
    »Gewiss nicht!«, stieß er aus. »Aber mit dir, liebe Victoria, ziehe ich das Diskutieren vor.«
    Diesmal gelang es ihr nicht, die Kränkung zu verbergen. »Warum?«, rief sie verletzt.
    »Du bist anders als diese Frauen, anders als Rebeca.«
    »Wie … anders?«
    Er überlegte eine Weile, dann trat er einen Schritt zurück, um sie von oben bis unten zu mustern, und erklärte: »Du kannst dich in der Gosse suhlen, solange du willst, aber du wirst immer das ehrwürdige Töchterlein reicher, anerkannter Deutscher bleiben. Selbst wenn du Hosen anziehen würdest wie Rebeca, würde man dir doch bei jedem Schritt ansehen, dass du gewohnt bist, Kleider zu tragen.«
    Victorias Lippen rieben aufeinander. Ihre Scham und ihre Verletzung wichen Zorn. »Ach was!«, begehrte sie auf. »Eben sagtest du noch, du glaubtest an die Freiheit! Und Freiheit bedeutet doch, dass der Mensch entscheiden kann, wie er lebt und wie nicht. Und du willst mir nun sagen, dass Herkunft und Abstammung allein bestimmen, wer man ist?«
    »Wer wärst du denn, wenn du’s dir aussuchen könntest?«
    »Eine Frau, die für ihre Überzeugungen kämpft. Selbstbewusst und mutig. Ich kann’s dir gern beweisen. Und dass meine Eltern wohlhabend waren, muss nichts Schlechtes sein. Das macht mich noch nicht zum verwöhnten Töchterlein, denn ich kann das Geld ja für meine … für unsere Zwecke nutzen.«
    Entschlossen ballte sie ihre Hände zu Fäusten. In seinen Augen blitzte es kurz auf, dann lachte er erneut, ehe er sich vorbeugte, das Papier aus der Druckerpresse nahm und den Stapel unter seiner Jacke verstaute.
    »Hab Dank«, sagte er knapp und ging.
    Fassungslos, dass er sie einfach so stehen ließ, blickte Victoria ihm nach. Wieder kämpften Scham und Wut, aber Letztere siegte. Sie eilte ihm nach, erreichte ihn noch vor der Tür und stellte sich ihm in den Weg. Erneut zog sie sein Gesicht zu ihrem und küsste ihn. Zwar wagte sie nicht, die Lippen zu öffnen und seine Zunge zu berühren, doch sie zuckte nicht gleich wieder zurück wie vorhin, und auch er machte keine Anstalten, von ihr zu weichen, hob vielmehr seine Hand und strich ihr über den Rücken. Heiße und kalte Schauder überliefen sie zugleich.
    Als sie sich nach einer Weile atemlos voneinander lösten, lachte er erstmals nicht.
    »Mutig also willst du sein«, sagte er, »nun, ich weiß zwar immer noch nicht, was ich von dir halten soll, aber den Mut – den kauf ich dir ab.«

    Victoria ging ruhelos auf und ab. Jiacintos Worte waren ohne Zweifel anerkennend gemeint, aber sie konnte sich über dieses Kompliment kaum freuen, hatte er sie doch gleich darauf wieder einfach stehen lassen. Sie hatte das Bedürfnis unterdrückt, ihm abermals nachzueilen, da sie die eben gewonnene Achtung nicht gleich aufs Spiel setzen wollte, und war stattdessen auf ihr Zimmer gegangen. Erst hatte sie auf dem Bett gelegen, hatte wieder und wieder die Lippen berührt, ihn noch zu schmecken geglaubt. Dann war sie aufgestanden und ging nun mit wild pochendem Herzen im Kreis. Stunde um Stunde verrann, ohne dass sie es merkte. Die übliche Geschäftigkeit wich Stillstand. Eine unnütze Bewegung, so ihr Verdacht, und sie dürfte den Zauber dieser Stunde nicht länger genießen.
    Plötzlich aber, als sie erneut Jiacintos Geschmack auf ihren Lippen nachspürte, fiel ihr siedend heiß ein, dass er vor ihrem Kuss geraucht hatte und jene Zigarette immer noch in der Keramikvase im Hinterzimmer der Buchhandlung lag. Pepe würde wahnsinnig werden, wenn er herausfand, dass man in der Nähe seiner kostbaren Bücher rauchte – und gewiss waren Mutter und Sohn von ihrem sonntäglichen Ausflug längst heimgekehrt!
    Sie verließ das Zimmer, eilte zur Druckerpresse – und traf dort unerwartet

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