Im Schatten des Fürsten
Volk zerstört habe.«
Amara rieb sich das Kinn. »Das Kroatsch ist also nicht einfach nur so etwas Ähnliches wie … wie Bienenwachs«, sagte sie. »Nicht nur etwas, das sie zum Bauen verwenden. Doroga, Tavi hat mir erzählt, diese Wachsspinnen hätten das Kroatsch regelrecht verteidigt, als es beschädigt wurde. Stimmt das?«
Doroga nickte. »Wir nennen sie Hüter der Stille. Und: Ja. Nur die leichtesten von unserem Volk konnten auf dem Kroatsch gehen, ohne einzubrechen.«
»Das ergibt durchaus Sinn«, meinte Amara. »Wenn das Kroatsch enthält, was sie zum Leben brauchen …« Sie schüttelte den Kopf. »Wie lange befand sich der Wachswald in diesem Tal?«
Bernard zuckte die Schultern. »Als ich nach Calderon kam, war er schon seit Menschengedenken da.«
Doroga stimmte zu. »Mein Großvater war schon als Kind unten.«
»Aber diese Spinnen oder Hüter - sie sind nie an einem anderen Ort aufgetaucht?«, wollte Amara wissen.
»Nie«, antwortete Doroga mit Nachdruck. »Sie sind immer im Tal geblieben.«
Amara sah hinüber zu einem der toten Vord. »Dann konnten sie es nicht verlassen. Diese Wesen waren schnell und kampflustig. Irgendetwas muss sie an diesem Ort festgehalten haben. Sie mussten beim Kroatsch bleiben, um zu überleben.«
»Wenn das zutrifft«, fragte Bernard, »warum können sie sich dann jetzt entfernen? Nachdem sie seit einer Ewigkeit dort sesshaft waren?«
Doroga zog Wanderers Fuß auf den Boden und antwortete leise: »Es hat sich etwas verändert.«
»Aber was?«, hakte Amara nach.
»Es ist etwas aufgewacht«, sagte Doroga. »Tavi und mein Wel- … und Kitai haben etwas geweckt, das in der Mitte des Kroatsch lebte. Es hat sie verfolgt, als sie geflohen sind. Ich habe einen Stein auf dieses Wesen geworfen.«
»So wie Tavi die Geschichte erzählt hat«, meinte Bernard, »war der Stein so groß wie ein kleines Pferd.«
Doroga zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn auf das Wesen geworfen, das sie verfolgt hat. Und der Stein hat dieses Wesen getroffen. Es war verwundet, trotzdem konnte es fliehen. Die Hüter haben es begleitet. Und beschützt.«
»Hast du es jemals zuvor gesehen?«, fragte Amara.
»Nein«, sagte Doroga.
»Kannst du es beschreiben?«
Der Häuptling überlegte einen Moment lang. Dann deutete er mit dem Kopf auf eines der gefallenen Krieger-Vord. »So wie die, aber auch anders. Länger. Dünner. Komisch. Als wäre es noch nicht ganz zu dem geworden, was es einmal werden sollte.«
Bernard sagte: »Doroga, seit langer Zeit hat dein Volk Menschen in den Wachswald geschickt. Wie können ausgerechnet Tavi und Kitai dieses Wesen geweckt haben?«
Ausdruckslos sagte Doroga: »Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen. Aber wenn Tavi etwas macht, dann richtig.«
Bernard zog eine Augenbraue hoch. »Inwiefern?«
»Er hat festgestellt, dass die Hüter Körperwärme erkennen können. Hat gemerkt, wie sie auf Schäden am Kroatsch reagieren. Also hat er es in Brand gesetzt.«
Bernard blinzelte. »Tavi hat den Wachswald in Brand gesetzt?«
»Das hat er nicht erzählt, was?«, meinte Doroga.
»Hat er tatsächlich nicht«, sagte Bernard.
»Das Wesen hat Kitai gebissen. Sie vergiftet. Tavi hätte längst nach oben klettern können, aber das hat er nicht getan. Die beiden sollten einen Pilz holen, der nur an einer einzigen Stelle wuchs. Ein mächtiges Heilmittel gegen Gift und Krankheit. Beide hatten jeder einen Pilz mitgenommen. Tavi gab seinen Kitai, um sie vor dem Gift zu retten. Obwohl er dadurch das Gottesurteil verloren hatte und sein Leben verwirkte.« Doroga schüttelte den Kopf. »Er hat sie gerettet. Und deshalb, Bernard, habe ich Atsurak in der Schlacht getötet. Weil der Junge meine Kitai gerettet hat. Er war so tapfer.«
»Das hat Tavi getan?«, fragte Bernard leise.
»Hat er wohl nicht erzählt, wie?«, meinte Doroga.
»Er … er hat so eine Art, seine Geschichten ein bisschen auszuschmücken«, sagte Bernard. »Seine eigene Rolle hat er dabei allerdings nicht so dramatisch dargestellt.«
»Doroga«, fragte Amara, »wenn Tavi in dem Zweikampf aufgegeben
hat, um deine Tochter zu retten, wie konnte er dann trotzdem das Urteil für sich entscheiden?«
Doroga zuckte mit den Schultern. »Kitai hat ihm ihren Pilz geschenkt, um seinen Mut zu ehren. Und sein Opfer. Dafür musste sie auf etwas verzichten, das sie sich sehr wünschte.«
»Das hast du aber nicht erzählt, wie?«, lachte Bernard.
Amara runzelte die Stirn, schloss die Augen und dachte nach. »Ich glaube,
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