Im Schatten des Fürsten
einen Schlag zu erledigen.«
»Genau«, sagte Amara. »Dieser Feind ist schlau, meine Herren. Wenn wir so reagieren, wie er es erwartet, sind wir so gut wie tot.«
Draußen überzog silbriges Licht den Himmel, und vom gewaltigen Gipfel grollte Donner herab. Alle hielten inne und schauten hinauf, und Amara trat ein paar Schritte vor die Höhle, wo sie Cirrus aussandte, um Luft und Winde zu erkunden.
»Ein Elementarsturm«, berichtete sie. »Da braut sich ungemein rasch etwas ziemlich Ekliges zusammen.«
»Garados und Thana«, sagte Bernard. »Die sehen es gar nicht gern, wenn die Wehrhöfer durch ihr Tal ziehen.«
»Die Höhle sollte uns einen gewissen Schutz vor den Windmähnen bieten«, meinte Amara. »Nicht?«
»Ja«, befand auch Bernard. »Wenn wir den Sturm noch erleben. Auch Thana kann einen Sturm nicht von einem Moment zum anderen herbeihexen.«
»Ob die Windmähnen die Vord angreifen?«
»Mein Volk haben sie nie belästigt«, sagte Doroga, »aber vielleicht haben sie einfach nur einen guten Geschmack.«
»Giraldi«, sagte Bernard. »Du teilst die Männer in Gruppen auf und bringst die ersten beiden in Stellung. »Kümmere dich darum, dass man Wasser von diesem Bach holt und den Wall aufschüttet.«
»Aber …«, setzte Amara an.
»Nein, Gräfin. Die Männer brauchen Wasser, wenn sie kämpfen. Also kümmern wir uns jetzt darum, ehe die Besessenen noch näher kommen, und wo wir schon einmal dabei sind, schütten wir auch diesen hinteren Befestigungswall auf. Los, los, Zenturio.«
»Ja, Herr«, sagte Giraldi und humpelte in die Höhle zurück.
»Amara«, sagte Bernard, »bring die Ritter hinten an dem Sims in Stellung und such alles zusammen, worin wir Wasser für die Kämpfer hier vorn sammeln können.«
»Ja, Graf …«, begann Amara, unterbrach sich, legte den Kopf schief und lächelte Bernard an. »Ja, mein werter Gemahl.«
Bernard grinste breit, und seine Augen funkelten. »Doroga«, sagte er.
Der Marathäuptling ließ sich zwischen Wanderers Vorderbeinen nieder. »Ich bleibe hier sitzen und warte, bis ihr euch in Reihen aufgestellt habt, damit wir kämpfen können.«
»Behalt die Königin im Auge«, sagte Bernard. »Pass auf, dass sie nicht einem der Besessenen ihren Mantel überzieht, damit wir den fälschlicherweise für sie halten. Ruf mich, wenn sie in Schussweite kommt.«
»Das mache ich vielleicht«, erklärte Doroga lakonisch. »Bernard, dafür, dass du als Einziger heute Nacht eine Frau hattest, bist du ganz schön angespannt.«
Amara lachte nervös und fühlte, wie sie errötete. Sie ging zwei Schritte auf Bernard zu, schmiegte sich an ihn und küsste ihn. Er erwiderte den Kuss und legte ihr besitzergreifend eine Hand auf die Hüfte.
Sie löste sich langsam von ihm und suchte seinen Blick. »Glaubst du, wir schaffen es?«
Bernard setzte zu einer Antwort an, zögerte jedoch. Er senkte die Stimme zum Flüsterton. »Eine Weile halten wir vielleicht durch«, sagte er. »Aber sie sind in der Überzahl, und der Feind fürchtet den Tod nicht. Die Männer werden Verwundungen erleiden. Irgendwann sind sie erschöpft. Speere und Schwerter brechen. Bald schon werden uns die Pfeile ausgehen. Und ich glaube eigentlich nicht, dass Giraldis Mann Wasser beschaffen kann. Mit Elementarwirken könnten wir ein paar Stunden überstehen. Ohne …« Er zuckte mit den Schultern.
Sie biss sich auf die Lippe. »Du meinst, wir sollten unsere Kräfte doch einsetzen?«
»Nein«, widersprach Bernard. »Du hast deine Meinung klar gesagt, Amara. Dir ist etwas aufgefallen, was wir übersehen haben. Du bist eine sehr kluge Frau; einer der Gründe übrigens, weshalb ich dich liebe.« Er lächelte sie an und fügte hinzu: »Ich möchte dir etwas geben.«
»Was?«, fragte sie.
»Ist eine alte Sitte in der Legion«, sagte er leise und zog sich einen dicken Silberring mit einem grünen Stein von einem Finger der rechten Hand. »Du weißt, Legionares dürfen eigentlich nicht heiraten.«
»Und die meisten haben trotzdem eine Frau«, sagte Amara.
Bernard lächelte und nickte. »Dies ist der Ring, den ich während meines Dienstes bekommen habe, für meine Zeit bei der Vierten Legion von Riva. Wenn ein Legionare eine Frau hat, die
er eigentlich gar nicht haben dürfte, gibt er ihr den Ring, damit sie ihn aufbewahrt.«
»Der ist mir ein bisschen zu klein«, sagte Amara und grinste. »Ich bekomme ihn bestimmt nicht über das Handgelenk.«
Bernard grinste ebenfalls und zog eine dünne Silberkette aus der Tasche.
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