Im Schatten des Fürsten
entging, über ähnliche Eigenschaften verfügen musste. Der Dieb dürfte wachsam, vorsichtig und schnell sein. Um dieses Wild zu fangen, musste Tavi es zunächst einmal gründlich auskundschaften.
Daher hatte Tavi den Nachmittag mit Angehörigen der Civis-Legion verbracht und erfahren, wo der Dieb zugeschlagen und was er gestohlen hatte. Der Täter war wählerisch. Bei einem Edelsteinhändler fehlten eine wertvolle Silbernadel für Mäntel und mehrere Ebenholzkämme, weitaus kostbarere Schmuckstücke am gleichen Ort waren hingegen nicht angerührt worden. Bei einem Schneider waren drei wertvolle Mäntel verschwunden. Einem Schuster war ein Paar wertvoller Stiefel abhandengekommen. Aber vor allem waren eine Reihe Gasthäuser, Lebensmittelhändler und Bäckereien Opfer nächtlicher Raubzüge geworden.
Wer immer dieser Dieb war, es ging ihm nicht ums Geld. Angesichts der sehr unterschiedlichen Beutestücke schien es beinahe so, als stehle er zum Spaß und aus der Laune des Augenblicks heraus. Dass er dabei häufig in Küchen und Speisekammern auftauchte, deutete auf eine Eigenschaft hin, die er mit den wilden Hirschen von Tavis Heimat gemeinsam hatte.
Der Dieb war hungrig.
Nachdem Tavi das herausgefunden hatte, war die Sache nicht
mehr schwierig. Er wartete einfach, bis die Gasthäuser mit der Zubereitung der abendlichen Speisen begannen, und folgte seiner Nase dorthin, wo es am köstlichsten duftete. Dort suchte er sich eine Stelle, von der aus er die Küchentür beobachteten konnte und wartete, bis sein Wild zur Futterstelle käme.
Tavi hörte den Dieb weder kommen, noch sah er ihn, doch es lief ihm kalt den Rücken hinunter, und er bekam eine Gänsehaut. Er wagte kaum zu atmen, und einen Augenblick später entdeckte er eine stille Gestalt in einem dunklen Mantel, die über das Dach des Domus Malleus schlich und neben der Küchentür Richtung Boden kletterte.
Tavi stieg zur Straße hinunter und rannte zu der Gasse hinter dem Gasthaus. Er pirschte sich an die Küchentür an und verbarg sich im Schatten, um dort auf den Dieb zu warten.
Der kam tatsächlich kurz darauf aus der Küche und schob etwas unter seinen Mantel.
Tavi hielt den Atem an, während der Dieb durch die Gasse in seine Richtung schlich und nur einen Schritt entfernt an Tavis Versteck vorbeiging. Er wartete, bis der andere ihn passiert hatte, dann sprang er aus dem Schatten, packte den Mantel des Diebs und zerrte daran.
Der Unbekannte reagierte mit der Geschwindigkeit einer wachsamen Katze. Er fuhr herum und warf einen Tontopf mit brühend heißer Suppe nach Tavis Kopf. Tavi wich aus, woraufhin der Dieb einen Teller mit Bratenresten warf, der Tavi vor die Brust traf. Er taumelte und ließ los. Der Dieb rannte davon.
Tavi fand das Gleichgewicht wieder und machte sich an die Verfolgung. Der Flüchtige war flink auf den Beinen, und Tavi konnte kaum mithalten. Schweigend rannten sie durch dunkle Straßen und Gassen und durch helle, von buntem Elementarlicht erleuchtete Bereiche. Als sie an einer Küferwerkstatt vorbeiliefen, schleuderte der Dieb Tavi eines der Fässer in den Weg, und der Junge musste darüberspringen. Er machte Vorsprung wett und warf sich dem Flüchtling in den Rücken. Den verpasste er zwar,
dafür erwischte er ein Bein, packte es und riss den Dieb zu Boden.
Wortlos kämpften sie. Tavi versuchte, einen der Arme seines Gegners auf den Rücken zu drehen, doch der Dieb war zu flink, befreite sich und stieß mit dem Ellbogen nach Tavis Kopf. Tavi wich aus, aber der Dieb versuchte es nochmals und traf ihn mit der Handkante unter das Kinn. Sterne blitzten vor Tavis Augen auf, und der Gegner entwand sich seinem Griff. Der Unbekannte erhob sich und verschwand in der Dunkelheit, ehe Tavi wieder auf die Beine gekommen war.
Tavi setzte die Verfolgung fort, allerdings vergeblich. Der Dieb war ihm entwischt.
Fluchend stürmte er zurück in die dunkle Gasse zum Domus Malleus. Zumindest, so dachte er, wollte er sich für seine Mühen mit einem anständigen Essen belohnen.
Mit mürrischer Miene im Gesicht drehte er sich um und stieß mit einem großen Fußgänger zusammen.
»Tavi?«, sagte Max überrascht. »Was machst du denn hier?«
Tavi blinzelte seinen Zimmergenossen an. »Und du ?«
»Ich lasse mich von einem griesgrämigen Akadem aus dem Calderon-Tal anrempeln«, meinte Max und grinste. Er zog den dunklen Mantel zurecht und bürstete seine Tunika mit der Hand ab.
Der kühle Abendnebel hatte sich über die Stadt gesenkt. Tavi
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