Im Schatten des Fürsten
Stücke auf dich, und ich würde mich dir gegenüber niemals absichtlich schlecht benehmen. Wenn ich etwas falsch gemacht habe, dann sag es mir bitte.«
Isana faltete die Hände im Schoß und betrachtete stirnrunzelnd den Boden. »Du hast nichts falsch gemacht. Nicht du.«
Enttäuschung schwang in Amaras Stimme mit. »Und warum dann das alles?«
Isana presste die Lippen zusammen. »Du bist ein treuer Mensch, Amara. Du dienst Gaius. Du hast ihm einen Eid geleistet.«
»Warum sollte dich das beleidigen?«
»Das ist es nicht, was mich beleidigt. Es ist Gaius selbst.«
Amaras Mund wurde schmal. »War er nicht großzügig dir gegenüber? Und dankbar?«
Hass durchfuhr Isana, und ihre Stimme brach. »Heute wurde ich fast getötet wegen seiner Großzügigkeit und Dankbarkeit. Ich bin nur eine Frau vom Lande, Amara, dumm bin ich aber trotzdem nicht. Gaius benutzt mich als Waffe, um seine Feinde zu spalten. Bernards Ernennung zum Grafen Calderon über den Kopf des edlen Hauses Riva hinweg ist eine unausgesprochene Mahnung, dass Gaius und nicht Riva in Alera herrscht. Wir sind nur Werkzeuge.«
»Das ist nicht gerecht, Isana«, widersprach Amara, wenn auch gedämpft.
»Nicht gerecht?«, fragte Isana. »War er gerecht? Der Stand, in
den er mich erhoben hat, die Anerkennung, die er uns vor zwei Jahren zollte, waren keine Belohnung. Seinetwegen stehen ich und mein Bruder nun einer kleinen Armee von Feinden gegenüber, und dann hat er Tavi genommen und unter seinem Patronat zur Akademie geschickt - und ganz bestimmt ist mein Neffe dort auf Menschen gestoßen, die ihn ablehnen und schikanieren.«
»Tavi bekommt die beste Bildung, die man in Alera erhalten kann«, sagte Amara. »Das wirst du ihm doch sicherlich nicht missgönnen. Er ist gesund, ihm geht es gut. Was ist ihm bisher Schlimmes widerfahren?«
»Natürlich ist er gesund, und es geht ihm gut. Und er lernt. Es ist eine unglaublich dezente Art und Weise, jemanden als Geisel zu halten«, entgegnete Isana. Die Worte hatten einen bitteren Nachgeschmack. »Gaius weiß, wie sehr Tavi sich gewünscht hat, an der Akademie zu studieren. Er weiß, es würde ihn vernichten, wenn man ihn fortschicken würde. Gaius hat mit uns gespielt. Er hat uns keine andere Wahl gelassen, als uns auf seine Seite zu stellen, wenn wir überleben wollen.«
»Nein«, sagte Amara. »Nein, ich weigere mich, das von ihm zu glauben.«
»Natürlich. Du bist ihm treu ergeben.«
»Aber nicht blind«, erwiderte Amara. »Und nicht ohne Grund. Ich kenne ihn; er ist ein anständiger Mann, und du stellst seine Handlungen in einem schlechten Licht dar.«
»Dazu habe ich allen Grund«, sagte Isana und erschrak über die Kälte und Gehässigkeit in ihrer Stimme. »Dazu habe ich allen Grund.«
Amaras Miene verdüsterte sich vor Sorge, doch sie sprach ruhig weiter. »Du hasst ihn.«
» Hass reicht nicht, um meine Gefühle zu beschreiben.«
Amara blinzelte verwirrt. »Aber wieso denn nur?«
»Weil Gaius … meine jüngere Schwester getötet hat.«
Amara schüttelte den Kopf. »Nein. Das würde er niemals tun. Er ist ein strenger Herr, aber kein Mörder.«
»Er hat es nicht mit eigener Hand getan«, erklärte Isana. »Dennoch liegt die Schuld bei ihm.«
Amara biss sich auf die Unterlippe. »Du glaubst, er sei für ihren Tod verantwortlich?«
»Ja. Ohne sein Einwirken hätte Tavi vielleicht noch eine Mutter. Und einen Vater.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst. Was ist ihnen denn zugestoßen?«
Isana zuckte mit den Schultern. »Meine Familie war arm, und meine Schwester war bis zu ihrem zwanzigsten Geburtstag noch nicht verheiratet. Man schickte sie zur Kronlegion, wo sie Hausdienste leisten sollte. Dort lernte sie einen Soldaten kennen, verliebte sich in ihn und bekam ein Kind von ihm. Tavi.«
Amara nickte langsam. »Und wie sind sie gestorben?«
»Politik«, erklärte Isana. »Gaius schickte die Kronlegion ins Calderon-Tal. Er wollte Riva in einer Zeit der Unruhen zeigen, wer der Herr im Hause ist, ebenso wie dem Senat. Also postierte er eine Legion an einer Stelle, wo sie gleichzeitig Lord Rivus als Warnung diente und den Angriff einer Marathorde abwehren konnte.«
Amara pfiff leise. »Die Erste Schlacht von Calderon.«
»Ja«, antwortete Isana. »Tavis Eltern waren dabei. Beide starben.«
»Aber, Isana«, wandte Amara ein, »der Erste Fürst hat ihren Tod nicht angeordnet. Er hat eine Legion an einen gefährlichen Ort geschickt. Dazu sind die Legionen da. Ihr Verlust war eine Tragödie,
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