Im Schatten des Fürsten
mit Wein standen. Sie goss sich den rosenfarbenen Wein in ein Glas und nippte gemächlich daran.
Isana schaute ihr zu und musste sich stark konzentrieren, damit sie die innere Anspannung der Frau spüren konnte. Serai trug ihren Wein hinüber zum Brunnen und setzte sich zu Isana.
»Darf ich dir eine Frage stellen?«, sagte Isana.
»Gewiss.«
»Woher hast du an der Landestelle gewusst, dass der Mann ein Spion war?«
»Er hatte Blut auf seiner Tunika«, erklärte Serai.
»Ich verstehe nicht.«
Die kleine Kurtisane legte sich die freie Hand an die Stelle direkt unterhalb des anderen Arms. »Blutflecken, hier.« Sie sah Isana an. »Vermutlich das Werk eines Messers, das man dem ursprünglichen
Besitzer der Tunika zwischen den Rippen und durch die Lunge hindurch ins Herz gestoßen hat. Das ist die sicherste Methode, um einen Menschen ohne großen Lärm zu töten.«
Isana starrte Serai an. »Oh.«
Die Kurtisane fuhr gelassen und wie beiläufig fort: »Wenn man nicht richtig trifft, kann eine Menge Blut fließen. Offensichtlich brauchte der Meuchler einen zweiten Stich, um den Dienstmann zu töten, dem er die Tunika stehlen wollte. Ich habe einen großen Fleck auf dem Stoff gesehen, und das hat mich dazu veranlasst, einen zweiten Blick auf den Kerl zu werfen. Wir haben Glück gehabt.«
»Ein Mann musste sterben, damit ein Mordversuch auf mich verübt werden konnte«, sagte Isana. »Und das nennst du Glück?«
Serai zog die Schultern hoch. »Sein Tod ist nicht dein Werk, meine Liebe. Wir hatten Glück, weil unser Meuchelmörder unerfahren war und unter Zeitdruck stand.«
»Wie meinst du das?«
»Er hat einiges riskiert, um an eine Tunika zu gelangen, mit der er sich tarnen wollte. Hätte er genug Zeit gehabt, einen ordentlichen Plan auszuhecken, hätte er die Ausführung seines Auftrags nicht durch diesen verdächtigen Fleck gefährdet. Das zeigte deutlich seine Grenzen, und ein älterer Attentäter mit größerer Erfahrung hätte es gar nicht erst versucht. Außerdem war er verletzt.«
»Woher weißt du das?«
»Der Mörder war Rechtshänder. Das Messer hat er jedoch mit der Linken nach dir geworfen.«
Isana runzelte die Stirn. »Der Blutfleck war auf der rechten Seite der Tunika.«
»Genau. Der Meuchelmörder hat sich dem Dienstmann von hinten genähert und hielt das Messer in der rechten Hand. Wir wissen, der Stich wurde nicht sauber geführt. Möglicherweise war der Dienstmann ein Erdwirker. Vermutlich hatte er sich gegen den Angriff elementarunterstützt verteidigt - also dem Meuchelmörder kräftig auf den rechten Arm geschlagen.«
Isana starrte Serai an. Die Art und Weise, wie die Kurtisane so sachlich über geplanten Mord und Gewaltanwendung sprach, ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Sie spürte, wie sie abermals von Angst erfasst wurde, und setzte sich wieder an den Brunnen. Männer mit entsetzlichen Fähigkeiten und schlimmsten Absichten trachteten ihr nach dem Leben, und ihr einziger Schutz war diese zarte Frau in ihrem weit ausgeschnittenen Seidenkleid.
Serai nippte an ihrem Wein. »Wäre er dir nur ein wenig näher gekommen oder hätte er seinen besseren Arm benutzen können, dann wärest du jetzt tot, Wehrhöferin.«
»Die großen Elementare mögen uns bewahren«, flüsterte Isana. »Mein Neffe. Glaubst du, auch er ist in Gefahr?«
»Darauf deutet nichts hin - und in der Zitadelle ist er so sicher wie an jedem anderen Ort im Reich.« Serai legte ihre Hand auf Isanas. »Geduld. Sobald wir mit Gaius gesprochen haben, wird er deine Familie unter seinen Schutz stellen. Dazu hat er allen Grund.«
Eine bittere, alte Traurigkeit stieg in Isana auf, und der Ring an der Kette um ihren Hals fühlte sich plötzlich sehr schwer an. »Bestimmt hat er nur die besten Absichten.«
Nun richtete sich Serai auf, und plötzlich spürte Isana, dass ein Verdacht in der Kurtisane aufkeimte. »Isana«, sagte Serai leise und sah ihr eindringlich in die Augen, »du kennst Gaius, oder?«
Isana spürte, wie ihr vor Panik flau im Magen wurde, doch diese Gefühle verbannte sie aus ihrer Stimme, ihrer Miene und ihrer Körperhaltung. Sie erhob sich und machte ein paar Schritte. »Nur flüchtig.«
Serai folgte ihr, doch ehe sie etwas sagen konnte, hallte die Hausglocke durch den Garten. Von der Straße her wurde gerufen, und einen Moment später humpelte ein stämmiger Mann in edler Robe eilig in den Garten.
»Ritter Nedus«, grüßte Serai und knickste anmutig.
»Meine Damen«, antwortete Nedus. Er
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