Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
baumelte; die Stiefel ausgelatscht … keiner der Pilgerfahrer hatte im Heiligen Land sein Glück gemacht, nachdem der Kaiser beim Baden ertrunken war, und erst recht war keiner nach der Rückkehr in die Heimat wieder auf die Füße gekommen (so mancher, der sein Vermögen eingesetzt hatte, war sogar ruiniert worden). Eine verdammte Geschichte. Aber darum konnte der Händler sich nicht scheren; niemand war gezwungen gewesen, Kaiser Rotbart zu folgen … und zwei Pfennig für dieses Ding waren wirklich ein anständiger Preis. Dafür bekam man vier Hühner oder fast ein halbes Schwein!
Das Gesicht des Pilgerfahrers zog sich in die Länge, als er erkannte, dass der Händler keinen Witz gemacht hatte.
»Na hör mal«, sagte er, »allein das Metall ist mehr wert. Reines Silber.«
Der Händler zuckte mit den Schultern. »Fürs Einschmelzen nimmt der Goldschmied mir schon einen Pfennig ab.«
»Warum willst du’s einschmelzen! Heiliger Gottfried! Es ist doch schön!«
»Wenn du’s so schön findest, solltest du’s behalten.«
»Würde ich ja, aber …« Der Ritter verstummte und kratzte sich am Kopf. Der Händler seufzte gelangweilt.
»Fünf, einverstanden? Gib mir wenigstens fünf. Sieh mal hier, die Kette ist ganz fein gearbeitet.«
»Wunderschön«, sagte der Händler.
»Also?«
»Zwei.«
Der Pilgerfahrer ballte die Fäuste. »Du bist nicht der Einzige! Ich kann auch da drüben bei dem Kerl mit dem grünen Mantel …«
»Bei dem warst du gestern schon.«
Der Ritter starrte den Händler an. »Äh …«
Der Händler bleckte die Zähne zu einem freudlosen Lächeln. »Was ist nun? Zwei, oder pack dich fort!«
»Ich könnte so gerade noch auf viereinhalb runtergehen. Das wäre ein Glückskauf.«
»Ja, für dich.«
Der Pilgerfahrer ließ die Schultern hängen. »Mann, komm schon. Wenn dir draußen zwischen den Feldern die Gesetzlosen an der Gurgel hängen und ich käme des Weges, wäre ich dir hochwillkommen.«
»Ja, wenn du vorher dein Schwert ausgelöst hättest.« Der Händler bückte sich und zog unter dem Boden seines Karrens ein eigenes funkelndes Schwert hervor, das mit Sicherheit besser in Schuss war als das des Burschen vor ihm. »Bis dahin verlasse ich mich auf mich selbst.«
»Vier. Mein letztes Wort.«
Der Händler sagte nichts. Der Ritter presste die Lippen zusammen. Er drehte das kleine Medaillon in seiner Pranke hin und her und streichelte es mit einem Finger. Plötzlich fummelte er daran herum, und es schnappte auf. »Hier, man kann es sogar aufmachen.«
Der Händler beugte sich vor. »Was ist da drin?«
»Eine Haarsträhne von …«
»… einem Heiligen?« Der Händler zuckte zurück, als ihm bewusst wurde, dass er seine Frage zu hastig hervorgestoßen hatte.
Der Pilgerfahrer streichelte mit dem Daumen den Deckel des Medaillons und musterte den Händler. Dann ließ er das Schmuckstück zuklappen. Der Händler fluchte im Stillen über seine Unachtsamkeit.
»O ja«, sagte der Pilgerfahrer. »Ein großer Heiliger.«
»Wer ist es? Sag schon! Nun sag schon!«
Der Ritter starrte ihn immer noch an. Dann sagte er langsam: »Ich werde den Kerl mit dem grünen Mantel mal fragen, ob er mich auch für einen Lügner hält.«
»He, he … ist ja gut, Herr! Von wem stammt die Locke?«
Der Ritter zögerte. »Hei… heilige Ursula«, sagte er dann.
»Das gibt’s nicht!«
»Na gut. Ich werde den Kerl da drüben fragen, ob …«
»Nein, nein! Ich meinte damit nicht, dass du lügst! Ich kann es nur nicht fassen!«
»Ah.«
Sie starrten sich an. Der Ritter grinste freundlich. Die Blicke des Händlers krochen zur Pranke des Hünen, in der das Medaillon wie eine Muschel zwischen Uferfelsen lag. Er seufzte. Wenn er sich nicht hätte überraschen lassen …
»Darf ich die Strähne noch mal sehen?«
Das Medaillon wurde aufgeklappt und dem Händler vor die Nase gehalten. Die Haarfarbe war kaum mehr erkennbar; die Strähne musste schon eine Weile dort eingeschlossen gewesen sein. Sie waren nicht dunkel gewesen, die Haare, so viel war sicher – ihre Färbung changierte jetzt irgendwo zwischen grau und blond. Die heilige Ursula war blond gewesen.
»Darf ich es mal …?«
»Wenn du mich reinlegen willst, wirst du’s bereuen.«
Der Händler legte zwei Finger aufs Herz und machte ein treuherziges Gesicht. Das Medaillon glitt in seine Hand. Er wog es vorsichtig. Der Ritter hatte Recht gehabt, als er gesagt hatte, es sei aus solidem Metall. Es war verfärbt genug, dass es reines Silber sein musste. Und
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