Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
Suppe in den Armen mit einem großgewachsenen Mönch im Schlepptau. Rinaldo schwang die Beine von der Sitzbank und stand auf. Er wollte die Männer wenigstens stehend empfangen, wenn sie ihn hinauswarfen, und er wollte nicht gehen, ohne nicht jedes Argument ins Feld gebracht zu haben, das für ihn sprach.
Rinaldo reckte sich. Autsch, der Rücken! Es wurde Zeit, dass er das Korsett wieder für ein paar Tage trug.
Der Mönch, der den Wirt begleitete, war so breit wie ein Karrengaul und wirkte in seinem Habit noch breiter. Von den Schultern bis zum Saum der Kukulle, der knapp über dem Boden schwebte, stampfte er dahin wie eine wandelnde Säule. Er bewegte sich eckig und scheinbar unbeholfen, wie mit leichter Schlagseite. Rinaldo erkannte, dass er jemanden vor sich hatte, der sich gar bewusst war, welche Kraft und Wucht er ausstrahlte. Während die meisten Mönche, die er hier im Kloster gesehen hatte, über den Boden glitten, die Hände in die Ärmel gesteckt, schien der hier sich fortzubewegen, indem er den Boden hinter sich schob wie in einer Tretmühle und dabei mit den Armen unsichtbare Wanderstäbe in die Erde stemmte. Seine Hände waren erstaunlich klein für seine Gestalt, und von dem breiten Nacken abgesehen hatte sein Gesicht keinen Speck angesetzt. Rinaldo erinnerte sich, dass der Torhüter ein hagerer Kerl gewesen war, der so alt aussah wie Methusalem es niemals geworden war. Wahrscheinlich schickte der Torhüter diesen Ochsen hier voran, wenn es darum ging, jemanden mit Gewalt aus dem Kloster zu entfernen. Rinaldo reckte sich noch ein wenig höher. Wenn dieses Ungeheuer von Mönch eine körperliche Auseinandersetzung wollte – nur zu! Er würde schon sehen, wie schnell Rinaldo rennen konnte …
Rinaldo seufzte innerlich und bemühte sich, die Resignation nicht auf seinem Gesicht zu zeigen.
Der Wirt deutete mit großer Geste auf Rinaldo. »Das ist der Mann, Bruder. Der abgebrochene Riese da neben dem Tisch …«
Der Mönch warf dem Wirt einen Seitenblick zu. »Wer sonst, Meister Eckart? Es ist ja kein anderer da.«
Der Wirt war unerschütterlich. »Jedenfalls, der ist es.«
Rinaldo machte eine kunstvolle Verbeugung, deren letzter Teil des plötzlichen Schmerzes wegen, der seinen Rücken hinaufschoss, ein wenig eckig verlief. »Rinaldo di Milano, die Herr segne euch, Brüder.« Er richtete sich wieder auf und sah sich dem Mönchsungeheuer gegenüber, dem er nicht einmal bis zum Brustbein reichte.
Rinaldo beschloss, die Initiative zu ergreifen. »Ihr nichts sagen brauchen, ich auch so weiß Bescheid«, sagte er und lächelte schulterzuckend.
Der Mönch wechselte die Farbe. »Was soll das heißen?«
»Äh … ist nicht so, dass ich so etwas die erste Mal erlebe, und ich will zugeben, dass ich …«
Der Kopf des Mönchs schoss nach vorn. »Was?«, donnerte er.
Rinaldo wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Maledetto, dachte er erschrocken, der lässt einen ja gar nicht zu Wort kommen. »Keine Grund zu Aufregung«, haspelte er. »Ich schlage Euch eine Geschäft vor.«
»Eine was?«
»Eine Geschäft.«
Der breite Mönch japste fassungslos und starrte Rinaldo offenen Mundes an.
»Ihr Mönche geht nicht gern in Stadt«, sagte Rinaldo und versuchte, gelassen zu klingen. »Aber ich kein Angst davor. Ihr habt was in Stadt zu tun, ich gehe für euch. Als Lohn ich darf hier bleiben, bis ihr nicht mehr braucht die gute Rinaldo. Ist eine Geschäft oder nicht?«
»Es heißt ein Geschäft«, sagte der Mönch, noch immer vollkommen überrascht.
»Ist ein Geschäft oder nicht?« Rinaldo setzte sein breitestes Grinsen auf und streckte dem Mönch die Rechte hin. »Rinaldo di Milano, stets zu Eure Dienste.«
Der Mönch griff mechanisch nach Rinaldos Hand; dann schien ihm bewusst zu werden, was er da tat, und er schüttelte sie ab. Rinaldo fragte sich, weshalb der Kerl so fassungslos war; in seinen Eingeweiden stieg langsam die Ahnung hoch, dass es mit dem Aufruhr von heute Morgen zu tun hatte, und er fragte sich mit zunehmender Unruhe, welche missverständlichen Floskeln er soeben von sich gegeben hatte. Der Mönch und der Wirt wechselten einen besorgten Blick.
»Wie hast du davon erfahren?«, fragte der Mönch schließlich.
»Erfahren …? Dass ihr nicht rausgeht aus die Kloster? Die Brüder von Chiaravalle Milanese gehen auch nicht …«
»Nein, ich meine …« Der Mönch machte eine erschütterte Geste in Richtung zum inneren Bereich des Klosters. Rinaldos Gedanken rasten, ohne sich irgendwo einhaken
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