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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dass man verstehen konnte, was sie sagte; es war eine dieser typischen rauen, kratzigen Stimmen, die wie dafür geschaffen war, in einer einsamen Gasse jemanden anzupöbeln. Ulrich zog den Kopf noch tiefer in die Kapuze; er wollte gar nicht hören, was der Krakeeler von sich gab. Der dringende Wunsch, möglichst unauffällig zu sein, überkam ihn zugleich mit der Erkenntnis, dass er keine Aussicht auf Erfolg seiner Mission hatte, wenn er sich nicht exponierte. Er atmete aus und ballte die Fäuste.
    »Ecco?«, fragte Rinaldo.
    »Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache«, sagte Ulrich. Die Sorge ließ seine Stimme unwirsch klingen.
    »Denk mal darüber nach. Es wäre ein gute Idee und …«
    »Was passiert da vorn?«, fragte Ulrich.
    Rinaldo spähte hinüber. Aus dem Gedränge wand sich eine Gestalt hervor und sah sich suchend um. Zwischen den Pilgern, die in einem Knäuel zusammenstanden, und Ulrich mit seinem Begleiter war nur ein geringer Abstand, den ein vollgepackter Karren mit einer Ladung Kinder und den dazugehörigen, gebeugten Gestalten der Eltern – Wanderbauern – nur ungenügend ausfüllte. Die Pilger machten weiterhin großes Geschrei. Der Mann, der sich aus ihrer Mitte herausgewunden hatte, schüttelte sich, ordnete seine Kleidung und tat dann so, als würde er Ulrich und Rinaldo jetzt erst sehen. Er winkte zu ihnen herüber.
    »Was will der Kerl?«
    »Wie viele Geld willst du rauswerfen?«, erkundigte sich Rinaldo.
    »Wie meinst du das?«
    »Er will uns was verkaufen.«
    »Der abgerissene Kerl? Was könnte der schon …?«
    »Ich glaube«, sagte Rinaldo, »du kannst gleich eine Gespräch üben, die du in die nächste Tage noch oft führen wirst.«
    »Ein Gespräch«, sagte Ulrich. »Es heißt … wie meinst du das?«
    Der Mann kam in ihre Richtung geschlendert. Er trug eine völlig zerschlissene Schaube – die für Ulrich von fern wie ein Überwurf mit spitz zulaufenden Zaddeln ausgesehen hatte – sowie eine enge Lederkappe. Er hielt nicht an, als der Wanderbauer ihn neugierig etwas fragte, und seine Antwort, über die Schulter hingeworfen, war kurz. »Nichts für dich«, verstand Ulrich. Der Bauer zog den Kopf ein.
    »Gott zum Gruß, ihr Herren«, sagte Lederkappe und verbeugte sich. »Ehrwürdiger Vater, darf ich um den Segen bitten?«
    »Ich bin ein schlichter Mönch«, brummte Ulrich.
    »Darf ich trotzdem …?« Lederkappe entblößte sein Haupt und senkte den Kopf. Ulrich presste die Lippen zusammen.
    »Es segne dich Gott Vater der Herr, der Sohn und der heilige Geist«, murmelte er schließlich und zeichnete einen Segen in die Luft. Der Mann stülpte sich die Kappe wieder auf und strahlte Ulrich an. »Amen, Bruder, und Dank sei Gott und Ehre allen Heiligen im Himmel.«
    »Geh hin in Frieden, mein Sohn.«
    »Und Lob und Preis Jesus Christus, unserem Herrn und …«
    »Amen«, unterbrach Ulrich. »Nun geh hin in Frieden.«
    Er spähte zu Rinaldo, dessen Wangenmuskeln zuckten. Nach einigen Augenblicken wurde ihm klar, dass der kleine Sänger ein Lachen unterdrückte. Der Anblick empörte Ulrich. Machte sein Weggefährte sich über ihn lustig?
    »Was für ein schöner Tag«, rief Lederkappe, scheinbar unbeeindruckt von Ulrichs Unhöflichkeit. »Diesen Morgen hat Gott der Herr gesegnet.«
    »Es geht schon auf die Sext zu«, bemerkte Ulrich. »Von wegen Morgen.«
    »Halleluja, Bruder, du sagst es, und was für ein wunderschöner Mittag es doch ist …«
    »Können wir etwas für dich tun?«, presste Ulrich hervor. Er sah aus dem Augenwinkel, dass Rinaldos Gesicht rot angelaufen war. Der Italiener schien dem Erstickungstod nahe. Ulrich ertappte sich dabei, wie er für einen Augenblick wünschte, es möge tatsächlich so sein. Er wusste nicht, wer ihm mehr auf die Nerven ging: Lederkappe mit seiner Aufdringlichkeit oder Rinaldo, der sich inwendig vor Lachen kringelte.
    »Nein«, rief Lederkappe. »Ihr habt genug getan, Bruder.«
    »Na dann …«
    »Ich möchte es Euch vergelten.«
    »Was?«
    »Ihr habt mir so inbrünstig den Segen gespendet, dass ich sofort zu mir sagte, gepriesen sei der Herr, Zacharias, habe ich zu mir gesagt, dieser Mann da vor dir ist ein Heiliger, Gott sei mein Zeuge, jawohl, das habe ich gesagt.«
    »Gn… gnnn…«, machte Rinaldo und hielt sich die Hände vor den Mund. Tränen liefen ihm aus den Augen.
    »Was hat Euer Knecht?«, fragte Zacharias.
    »Der Herr hat seine Zunge verknotet«, knurrte Ulrich. »Und wenn es so weitergeht, wird jemand auch noch seine Gliedmaßen

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