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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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Cäcilie nicht erfolgreicher gewesen war. Ach, Cäcilie! Sie fehlte ihm so sehr. Wahrscheinlich küsste sie gerade diesen ekligen Engländer in seiner lächerlichen Kleidung.
    Er war fast eingeschlafen, da blitzte ein Gedanke durch sein Gehirn, mit einem Mal war er hellwach.
    »Was ist los?«, fragte Jan müde vom anderen Ende des Bettes.
    »Wohin würde ich nachts gehen wenn ich ein betrunkener alter Mann wäre?«
    Moritz spürte in der Dunkelheit, dass sein Bruder schmunzelte.
    »Wieso willst du das wissen? Du bist kein betrunkener alter Mann.«
    »Los, sag schon!«
    »Du könntest in die Neustadt gehen, ins Gängeviertel.«
    »In den Herrengraben?«
    »Nein, zu brav. Da sind viele Kneipen, aber da sitzen nur müde alte Männer.«
    »Elbrand war ein alter Mann.«
    »An Elbrands Stelle wäre ich ins Theilfeld gegangen. Immerhin war er Witwer. Ziemlich verruchte Gegend dort. Schlimme Spelunken, verschwiegene Höfe, haufenweise leichte Mädchen.«
    »Was sollte er da wollen?«
    Jan prustete in die Dunkelheit. Es dauerte lange, bis er sich beruhigt hatte. »Darüber werde ich bestimmt nicht mit meinem kleinen Bruder sprechen. Schon gar nicht mitten in der Nacht.«

20
    In den folgenden Tagen schlenderte Moritz häufiger zum Alsterbecken. Er gab sich Mühe, den Eindruck zu erwecken, er sei ganz zufällig in der Gegend, innerlich jedoch war er angespannt wie eine Violinsaite. Die Passanten, Kutschen und Karrenschieber beachtete er nicht. Sein einziges Augenmerk galt dem Wasser und den Menschen in den Booten.
    Seit er Cäcilie mit diesem schrecklichen Engländer auf der Alster gesehen hatte, musste er ständig an die beiden denken. Doch was sollte er tun, wenn er sie noch einmal bei einer Bootsfahrt überraschte? Und wie würde er reagieren, wenn sie sich plötzlich gegenüberstanden? Sollte er den Engländer zum Duell fordern, ihn niederschlagen oder ins Wasser stoßen?
    Er wusste es nicht und machte sich auch nicht allzu viele Gedanken darüber. Denn in seinem tiefsten Innern wusste er, dass er in diesem Spiel immer der Verlierer sein würde, dass er unerwünscht war in diesem Teil der Stadt, in dem die Kaufleute und Reeder herrschten. Es war ein seltsames Verlangen in ihm, wieder einmal bestätigt zu bekommen, dass er nicht zur Schicht der Reichen gehörte.
    Als er schließlich seinen Lieblingsplatz neben der Trauerweide erreicht hatte, war weder an Land noch auf dem Wasser etwas von Cäcilie zu sehen. Nachdenklich betrachtete er den Baum mit seinen herunterhängenden Zweigen. Die schienen ihm seinen Gemütszustand zu spiegeln, denn auch er trauerte   – um den Verlust einer liebevollen Seele, um eine Liebe.
    Unweit des Alsterpavillons griff Charles Turner nach Cäcilies Hand und half ihr in das schwankende Boot. Schnell setzte sie sich auf die hintere Bank und hielt sich fest. Dann blinzelte siein den Himmel. Den Schirm würde sie heute nicht aufspannen müssen.
    Charles löste die Leine und sprang geschickt ins Boot. Er fuhr die Ruder aus und steuerte zwischen den anderen Booten hindurch auf das Alsterbecken hinaus. Cäcilie warf ihrer Cousine Josephine, die am Ufer geblieben war, einen Handkuss zu. Josephine schüttelte unwillig den Kopf. Herr und Frau Schröder hatten sie als »Anstands-Wauwau«   – wie Cäcilie es nannte   – auserkoren; für den Fall, dass ihre Tochter ohne die Eltern in die Stadt gehen wollte. Josephine war ein paar Jahre älter und einige Pfunde schwerer als Cäcilie, hatte ein gutmütiges, fast phlegmatisch zu nennendes Wesen und stimmte fast allem zu, was Cäcilie vorschlug. Doch heute war sie unruhig. Sie war sich nach wie vor unschlüssig, ob es richtig gewesen war, Cäcilie schon wieder allein mit diesem attraktiven jungen Mann losrudern zu lassen.
    »Was soll schon passieren, Josie?«, hatte Cäcilie lachend gesagt. »Charles ist ein vornehmer Herr aus gutem Hause. Mir passiert nichts. Er beschützt mich eher, als dass er mir etwas antut.«
    »Auch Männer aus gutem Hause können merkwürdige Anwandlungen haben. Sonst würden sie ja keine Kinder bekommen.«
    »In einer knappen Stunde sind wir wieder hier, Josie. Du kannst dir die Zeit im Alsterpavillon bei Kaffee und Kuchen vertreiben.«
    Josephine hatte empört geschnaubt. »Ich gehe nie ohne Begleitung in ein solches Etablissement.«
    Es war nun schon das zweite Mal, dass Cäcilie von dem netten Engländer zu einer Bootsfahrt auf dem Alsterbecken eingeladen worden war. Zunächst hatte sie gezögert, dann jedoch zugesagt. Charles

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