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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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Anweisungen zubrüllt. Der Wagen steuert die erleuchtete Scheune an und kommt neben einem Haufen Lehm und Steine zum Stehen – die Überbleibsel des Haupthauses, offenbar bei einer Bombenexplosion bis auf die Grundmauern zerstört. Yusup lässt uns aussteigen und führt uns zum Eingang der Scheune. Dann hält er kurz inne und blickt zurück auf den Weg, den wir gerade gekommen sind, als erwarte er, dass uns jemand folgt.
    »Ja, Abreg ist wirklich ein seltsamer Mensch«, sagt er, ohne den Blick abzuwenden. »Aber er ist von seinem eigentlichen Ziel abgekommen, und die, die nach ihm kommen, sind noch viel schlimmer. Sie kämpfen nicht für ihre Heimat und ihre Familien. Sie zerstören alles im Namen ihres heiligen Krieges.«
    »Abreg hat mein Leben nicht gerettet. Man kam mir zu Hilfe, bevor er mit mir fertig war.«
    Der alte Mann kräuselt die Lippen, als wäre ich ein Dummkopf, der nichts verstanden hat. »Abreg ist der falsche Mann für diese Zeiten. Soviel weiß ich.« Er schiebt den Kiefer vor und zurück, während seine Augen dem Lauf der Serpentinen über uns folgen. »Aber du solltest wissen, was wirklich passiert ist. Sechs Monate lang hat Abreg uns davon abgehalten, dich zu töten. Erst als offen rebelliert wurde, lenkte er ein. Und dann kam Valja, zu deinem Glück.«
    »Valja? Du kennst sie?« Und dann fällt mir ein, dass sie etwas von Freunden hier in der Gegend erzählt hat, und dass einer von ihnen Abreg nahestünde.
    Yusup zieht seinen kinzhal und befreit mit einem sauberen Schnitt meine Hände. Mit überraschender Agilität schiebt er mich durch die Tür. Sie fliegt auf, und ich stolpere in eine Rauchwolke. Ich kann nichts erkennen. Das Eis in meinen Haaren und Augenbrauen fängt augenblicklich an zu schmelzen und läuft mir in kalten Rinnsalen übers Gesicht.
    Dann wirft sich ohne Vorwarnung ein Körper gegen meinen. Ich taumele zurück gegen die Wand. Meine müden Beine geben nach, und ich rutsche die Wand hinunter und lande unsanft auf meinem Hintern, während Valja mein Gesicht mit warmen Küssen bedeckt und mich eng umschlungen hält. Nebenher höre ich immer noch Yusups Stimme, trocken und knisternd wie die Flammen über dem tödlichen Scheiterhaufen.
    »Ja, ich kenne sie«, sagt er. »Ich war da, als sie dir zu Hilfe kam; ich bin einer der wenigen, die die Hölle kennen, durch die sie gegangen ist.«

52
    Ich hatte wahnsinnige Schmerzen an jenem Abend. Ein Sadist hatte sämtliche Knochen in meinem Fuß langsam zwischen den Zahnrädern einer 155-mm-Feldhaubitze zermalmt, die zu einem handbetriebenen Mahlwerk umfunktioniert worden waren. Er lächelte schmierig, während er vor – und zurückkurbelte. Jede knackende Umdrehung jagte quälende Blitze durch meinen explodierenden Schädel und verdrehte meinen Körper so heftig, dass, wie der Arzt mir später erklärte, Waden – und Schienbein zersplitterten. Eine ausgemergelte alte Frau röstete mir mit einem in Feuerzeugbenzin getunkten Lappen an einer Eisenstange die restlichen Körperteile. Jedes Mal, bevor sie die Flamme an das Fleisch hielt, summte sie tonlos vor sich hin, ein Geräusch, als zöge man eine Säge über die Saiten einer Violine.
    Kein Verhör, keine erkennbaren Absichten, nur so zum Spaß – und aus Rache. Ich zahlte für meine Sünden und die Sünden meines Landes. Jeder meiner Schreie war ein langer, langsamer Pinselstrich, der die Welt in ein Bildnis des Schmerzes verwandelte.
    Das runzlige Gesicht der alten Frau schwebte über mir wie eine gottlose Erscheinung, die mir summend die blaue Flamme entgegenhielt. Als sie sie langsam näher bewegte, die wässrigen Augen erwartungsvoll aufgerissen, brach plötzlich, als hätte jemand einen großen Schalter umgelegt, hoch über ihr ein Leuchtgeschoss durch die Dunkelheit, und dann noch eines, ein Netzhaut verbrennendes Feuer, und innerhalb von Sekunden war das ganze Lager von Gebrüll und Schüssen erfüllt.
    Der Kreis von Leuten um mich herum stob auseinander wie ein Schwarm aufgeschreckter Vögel. Sie liefen in Deckung, zu ihren Waffen, in den Schutz der Berge und der Dunkelheit. Die Erde erbebte von mehreren Detonationen, und die selbst gebaute Foltermaschine fing an zu schaukeln. Wieder durchzuckten höllische Schmerzen mein Bein. Die nächste Explosion machte mich taub. Das Ding wackelte, kippte und landete mit seinem ganzen Gewicht auf meinem Bein. Knochen brachen, die Haut platzte auf, und meine Schreie vermischten sich mit denen der Verwundeten und den rauen Befehlen der

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