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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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weiß doch, wie er mich finden kann.«
    »Wer versteht schon, warum Maxim irgendetwas tut?«, antwortet Alla.
    Mei sieht mich schweigend an, bis ich kurz mit dem Kinn in ihre Richtung nicke.
    »Ich war mit ihm im Savoy. Er mag große Partys mit vielen Mädchen.«
    Maxim sieht aus wie ein Riesenaffe, was dazu führt, dass die meisten Menschen seinen Intellekt unterschätzen. In Wirklichkeit ist er schlauer als die meisten unserer mächtigsten Oligarchen und Politiker. Wie bei vielen getriebenen Männern ist sein Verlangen so groß wie sein Ehrgeiz.
    »Was hat er gesagt?«, frage ich sie.
    »Er möchte, dass Sie ihm helfen.«
    Maxim bittet nicht um Hilfe. Er erteilt Befehle. Ich schätze, die tatsächliche Nachricht ist irgendwo in Meis mangelhaften Russischkenntnissen verloren gegangen.
    »Sonst noch was?«
    »Ich soll Ihnen sagen, Öl sei alles. Viel wichtiger als Lebensmittel.«
    Das soll mal jemand einem Hungernden erzählen. Aber das Bild ist jetzt noch diffuser geworden: AMERCO, Marko Hutsul und seine Firma Kombi-Oil – und jetzt schnüffelt auch Maxim im selben undurchsichtigen Territorium herum. »Was noch?«
    Sie schüttelt traurig den Kopf und schiebt die Unterlippe vor. »Es tut mir leid, wenn Sie mit meiner Nachricht nichts anfangen können.«
    Nachdem sie das Mädchen weggeschickt hat, verkündet Alla, sie sei müde, geht in ihr Zimmer und schließt demonstrativ die Tür hinter sich. Sie hört es nicht gern, wenn ich klarstelle, dass unsere Beziehung besser rein geschäftlich bleibt.
    Ich hole das Nokia heraus und wähle die Nummer von Leutnant Golko. Nach mehrmaligem Klingeln antwortet er mit einem verschlafenen Hallo.
    »Golko, bekommt jede Untersuchung in einem Kriegsverbrechen einen bestimmten Zahlencode?«
    »Volk? Himmel, wie spät ist es?«
    Es ist kurz nach fünf Uhr morgens, weniger als zehn Stunden nach der ersten Explosion im AMERCO-Gebäude. Die Tatsache, dass ich ihn geweckt habe, ist ein weiteres Indiz dafür, dass Golko relativ neu im Kreis des Generals ist. Er schläft noch ruhig.
    »Ja oder nein?«
    »Ja. Warum?«
    »Wie viele Ziffern?«
    Der pummelige Leutnant antwortet nicht gleich. Ich stelle mir vor, wie er nach seinem Notizblock greift. »Daran habe ich auch schon gedacht, aber es kommt nicht hin. Unsere Nummer hat elf Ziffern. Eine Untersuchung in einem Kriegsverbrechen hat sieben.«
    »Vergleichen Sie die ersten und die letzten sieben Ziffern mit den in den Karteien verzeichneten Fällen. Wenn Sie nichts finden, überprüfen Sie jede weitere Siebenerfolge. Suchen Sie vor allem nach Vorfällen im Gebiet um Starye Atagi. Es sind doch sämtliche Untersuchungen in einer Datenbank festgehalten, oder?«
    »Warum Starye Atagi?«
    »Lassen Sie das meine Sorge sein.«
    »Schauen Sie, Volk, ich bin bereits die Datenbank des Verteidigungsministeriums durchgegangen. Ich habe versucht, jede einzelne Ermittlung mit den Zahlen in Verbindung zu bringen, Beschwerdeanzeigen – von denen es Tausende gibt, die meisten davon werden ignoriert – , Disziplinarverfahren, alles, was ich finden konnte. Nichts. Aber diese Akten sind nicht vollständig, und viele der angegebenen Verbrechen erhalten nie eine Nummer.«
    Das ist nicht weiter überraschend. Kriegsverbrechensermittlungen haben eine geringe Dringlichkeitsstufe, eine, für die der Kreml nicht gern Geld ausgibt. Vielleicht ist das ein geschickter Kurs. Was soll schon Gutes dabei herauskommen? Aber ich vermute, das angebliche Massaker an zweihundert Zivilisten hätte doch eine eigene Akte bekommen müssen.
    »Wer immer seinen Finger in Dubinins Blut getaucht und diese Zahlen aufgemalt hat – oder wer immer es angeordnet hat – , hatte einen Grund und will, dass wir ihn herausfinden.«
    Ich höre Golko schwer atmen, aber er sagt nichts. Das Nokia ist so fest an mein Ohr gepresst, dass es schmerzt, während ich mir weitere Gerüchte über das Filtrationslager auf der verbrannten Erde vor Starye Atagi in Erinnerung rufe. Der verlassene Hof, der bei den Einheimischen die »Hühnerfarm« genannt wurde, war einer der schlimmsten Orte in ganz Tschetschenien.
    »Hören Sie«, ergreift Golko wieder das Wort. »Ich habe allmählich das Gefühl, dass wir in der falschen Richtung suchen. Was, wenn sich die Nummer auf eine Angelegenheit des Innenministeriums bezieht? Verdammt, ganze Dörfer wurden in deren Auftrag deportiert. Ich weiß nicht, wie ihr Codierungssystem funktioniert, aber ich wette, ich finde es heraus, wenn ich einen Blick in ihre Archive werfen

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