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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Arbeitet sie am Computer?«
    »Cybersex. Sie ist eine der Hübschesten. Klein, aber manche Männer mögen das ja.«
    Ich tue so, als bemerkte ich ihren Seitenhieb auf Valja nicht, die wie ein verwahrlostes Kind ist, weich und gleichzeitig stark, so wie weißglühender Stahl gebogen und geformt werden kann, ohne sein Wesen zu verlieren.
    »Was hat Maxim zu ihr gesagt?«
    »Sie soll mir sagen, dass er dich sucht.«
    »Das ist alles?«
    »Warte.« Und schon ist sie aufgesprungen und im Flur, bevor ich sie stoppen kann. Ich bin mir eigentlich sicher, dass Mei dem nichts hinzuzufügen hat. Als ich mich wieder im Sessel zurücklehne, vibriert mein Handy.
    »Ich bin es«, sagt der General. »Filip Lachek weiß jetzt deinen Namen und dass du ein aktiver Militär bist. Offenbar wissen sie nicht genau, wie sie dich aufspüren sollen, aber sie werden es schnell genug herausfinden.«
    Es gibt diverse Regierungsakten, in denen angeblich mein Leben aufgezeichnet ist. Eine, die der Außenwelt zugänglich gemacht wurde, behauptet, ich sei vor dreieinhalb Jahren als Invalide mit dem Rang eines Majors aus der Fünfundachtzigsten Armee entlassen worden, nachdem ich meinen Fuß verloren hatte. Sie führt außerdem eine Unmenge von Straftaten auf, die ich begangen haben soll. In der, die Lachek in die Finger bekommen haben muss, steht die Wahrheit über meinen militärischen Status – einschließlich meines Ranges und einiger meiner Aktivitäten in den letzten Jahren – , was mir bestätigt, dass er in der Hierarchie des Kreml ziemlich weit oben steht.
    »Was ist mit den Namen und Hintergrundinformationen zu den Geiseln?«, frage ich.
    »Ich habe Golko die Liste gegeben.«
    »Ist Ihnen irgendein Name aufgefallen?«
    »Marko Hutsul. Vorsitzender des Öl – und Gaskonsortiums Kombi-Oil. Er könnte aus diversen Gründen dort gewesen sein – schließlich ist er im selben Geschäft; es kann, aber muss also nichts bedeuten. Sein Name war der einzige, den ich kannte.«
    Alla kommt zurück, im Schlepptau ein schläfrig guckendes asiatisches Mädchen mit glänzendem rotschwarzem Haar, das ihr bis zur Taille reicht. Sie sieht mich unverhohlen neugierig an, während Alla den Kopf schief legt und sich offenbar fragt, wer am anderen Ende der Leitung ist.
    »Eine Frau hat bei der amerikanischen Botschaft angerufen«, sagt der General. »Sie bat um Hilfe. Sie hat eine der alten Nummern benutzt.«
    Die alten Leitungen zur amerikanischen Botschaft werden dank neuer Technologie kaum noch genutzt. Trotzdem ändern die Amerikaner regelmäßig ihre Nummern, und der General – und wahrscheinlich auch andere – setzt genauso systematisch englischsprachige Leute ein, um diese Anrufe entgegenzunehmen und nach brauchbaren Informationen zu durchforsten.
    Sofort kommt mir die Nachricht in den Sinn, die Brock Matthews Vadim hinterlassen hat. Abgesehen von der AMERCO-Verbindung sehe ich nicht, warum und wie die Amerikaner in die Sache verstrickt sein sollten, aber jetzt, wo ein weiterer Zusammenhang besteht, bin ich sicher, dass sie es sind.
    »Weswegen wollte sie Hilfe?« Ich gebe Alla und dem Mädchen ein Zeichen, sich aufs Sofa zu setzen, aber sie bleiben stehen.
    »Sie sagt, russische Agenten hätten sie entführt und mehrere Tage lang festgehalten, bevor sie fliehen konnte.« Er zögert. »Sie behauptet außerdem, dieselben Leute hätten einen Friedensaktivisten getötet, der ein angeblich in der Nähe von Starye Atagi verübtes Kriegsverbrechen untersuchte.«
    Starye Atagi liegt sechs Meilen vom Argun-Tal entfernt und ist eines von vielen tschetschenischen Dörfern, die im Krieg gnadenlos verwüstet wurden. Es war eines der berüchtigten sogenannten Filtrationslager, wo den Dorfbewohnern der Prozess gemacht wurde: Man hielt sie fest, verhörte und folterte sie, um sie dann lebendig, häufig aber auch tot auszulösen. Ich habe dort und an anderen Orten interveniert, soweit ich konnte, aber es war, als wollte man mit bloßen Händen Ströme von Abwasser aufhalten. Der General war an diesen Gräueltaten nicht beteiligt, aber er setzte sich auch nicht unbedingt dafür ein, dem Übel ein Ende zu bereiten. »Außerdem«, erklärte er mir einmal, »motiviert das zusätzliche Geld die Männer.«
    »Dort wurden viele Unschuldige getötet.« Meine Stimme bleibt neutral, ich will unseren alten Streit nicht neu entfachen.
    »Sie behauptet, über zweihundert Menschen seien wahllos niedergemetzelt worden, irgendwo abseits des Filtrationslagers. Das ist unmöglich«,

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