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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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Brüdern und später in den Fängen plündernder Banden russischer und, noch schlimmer, tschetschenischer Kämpfer rivalisierender teips. Bevor sie mich traf, konnte sie Freund und Feind nicht unterscheiden, also setzte sie sich gegen jeden zur Wehr und verbündete sich wenn überhaupt nur für kurze Zeit.
    Als ich wieder zu Sinnen komme, gehe ich im Nokia die angenommenen Anrufe durch, aber die Nummer, von der sie angerufen hat, ist nicht aufgelistet. Vielleicht war sie unterdrückt; oder sie kam von einem Satellitentelefon. Wie auch immer, ich kann nicht glauben, dass ich gerade die Chance verpasst habe, mit ihr über das zu reden, was mich wirklich bewegt.

13
    Mascha wohnt im neunten Stock eines Chruschtschow-Ära-Hauses mit übermalten Betonfußböden, kaputten Fahrstühlen und aneinandergereihten Türen, die mit lärmdämmenden Decken verhängt sind. In den meisten der winzigen Wohnungen leben runzlige Babuschkas, die betteln oder billigen Schmuck verkaufen müssen, um zu überleben. Mascha ist wie ich amputiert, aber ihre altertümliche Prothese aus Holz und Leder ist Meilen entfernt von meinem legierten Titan-Wunderwerk. Als ich die Treppen hinaufsteige, frage ich mich, wie sie das mehrmals am Tag schafft, vor allem in ihrem Alter.
    Ich klopfe an ihre Tür und warte kurz, bis das Schloss knarzend aufschnappt. Sie tritt beiseite, und ich zwänge mich in eine Wohnung, die kaum größer ist als meine Kammer im Keller von Vadim’s Café, auch wenn sie ein ausklappbares Bett hat statt einem Feldbett. Gegenüber einem Fenster befinden sich Regalbretter voller übereinandergestapelter Bücher. Ein kleiner Korbstuhl, ein Waschbecken und ein Schwarz-Weiß-Fernseher mit in Folie gewickeltem Kleiderbügel als Antenne vervollständigen das Mobiliar.
    »Du hättest Bescheid sagen sollen, dass du kommst.« Ihre Stimme ist rau von einem langen Leben und zu vielen filterlosen Zigaretten. »Ich hätte etwas zu essen gemacht.«
    »Ich habe gerade gegessen, Mascha. Trotzdem vielen Dank.«
    Sie trägt ein ausgeblichenes lilafarbenes Kleid unter einem Schultertuch, so fadenscheinig, dass es fast schon durchsichtig ist, und sie umklammert eine Decke, die sie wahrscheinlich auf dem Schoß liegen hatte, als ich geklopft habe. Die Heizung ist dem Moskauer Januar nicht gewachsen. Ihr Haar ist lang, kraus und inzwischen komplett weiß; wenn sie das Haus verlässt, um einzukaufen oder jemanden zu besuchen, steckt sie es unter ein buntes Kopftuch. Um ihren Hals hängt ein ausgefranstes Lederband mit geheimnisvollen Talismanen.
    Seit mehr als drei Jahren gebe ich ihr Geld für die Wohnung, für Essen und für bescheidene Almosen, mit denen sie selbst anderen Bedürftigen hilft. Dasselbe tue ich in geringerem Ausmaß noch für ein paar andere ältere Frauen, die Russlands endlose Kriege und Säuberungen zu Witwen gemacht haben. Mit den Erträgen aus dem Öl – und Gasgeschäft hat das neue Russland denen, die sowieso schon reich waren, noch größeren Reichtum beschert, und ein bisschen davon ist in die Geldbeutel eines langsam erwachsenden gehobenen Mittelstands gesickert. Aber viele unserer leidgeprüften Alten vermissen immer noch das soziale Netz der alten Sowjetunion.
    Die Rollos sind heruntergelassen und sperren fast ganz das Licht der blassen Morgensonne aus, die gerade warm genug ist, um Moskaus Straßen in Schneematsch zu tauchen. Doch als ich in den flackernden Lichtkegel trete, den der Fernseher in den Raum wirft, schnappt sie nach Luft.
    »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
    Sie streckt die Hand aus und berührt meine Verbrennungen. Obwohl die Haut runzlig und trocken ist, fühlt ihre Hand sich weich an. Sie drückt mich sanft in den Korbstuhl, schlurft zum Waschbecken und macht das Licht an. Dann lässt sie Wasser in einen Topf laufen und stellt ihn auf die Kochplatte.
    »Ich habe Medikamente, Mascha.«
    Sie öffnet einen kleinen Schrank über dem Waschbecken, untersucht den Inhalt mehrerer Plastikbeutel und schüttet kleine Häufchen grüner, brauner und roter Kräuter in eine Schale aus gesprenkeltem Granit. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück. Mein Körper fügt sich bequem in eine vertraute Mulde, die er selbst im Laufe der Zeit geformt hat.
    »In den Nachrichten haben sie gesagt, die Terroristen hätten wieder zugeschlagen.« Sie nimmt einen Stößel und zerreibt die Kräuter zu Pulver. »Irgendwann hört das auf. Wie all die anderen Kriege wird auch dieser nicht ewig dauern. Aber ich fürchte, dass ich es nicht

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