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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Hofastrologen. Die Stirnseite des Tisches war für den Mondkaiser und seine Ehrengäste reserviert. Minister Justeneau und eine Frau, die Carya nicht kannte, saßen vom Kaiser aus gesehen ganz links. Dann folgten ein leerer Stuhl und Cartagena. Auf einem prunkvollen Stuhl mit hoher Lehne schließlich saß der Mann, dessen Bild Carya verfolgte, seit sie Château Lune betreten hatte.
    Der Mondkaiser war ein Mann von durchschnittlicher Statur in einem kostbar gewirkten mitternachtsblauen Gewand mit eingearbeiteten Silberfäden. Der Schnitt wirkte ein wenig streng, wurde jedoch durch Schulterklappen, Schärpe, Kragen und einen schillernden Umhang aufgebrochen. Alles in allem sah das Kostüm sehr elegant aus. Auf dem Kopf trug der Kaiser eine bombastische Lockenperücke aus weißem Haar, die Carya auf den ersten Blick sehr befremdlich vorkam, aber irgendwie zu der silbernen Maske passte, die sein Gesicht verbarg und ihm einen maschinenhaft starren Ausdruck verlieh. Carya fragte sich, wie er mit dieser Maske essen wollte. Erst auf den zweiten Blick fiel ihr auf, dass die Mundpartie nicht verdeckt, sondern mit Silberfarbe geschminkt war, wodurch die Haut des Kaisers mit der Maske praktisch verschmolz.
    Die Bewegungen des Mondkaisers wirkten sehr zurückhaltend und bedächtig. Er machte auf Carya eher den Eindruck eines Denkers als eines Kämpfers. Ganz anders als sein Sohn, Prinz Alexandre, der deutlich lauter und leidenschaftlicher auftrat. Im Moment saß er zur Rechten seines Vaters und schaute ein wenig verdrossen drein, womit sein Gesichtsausdruck dem seiner Versprochenen glich, die wiederum an seiner rechten Seite weilte.
    Neben ihr hatte eine junge Frau in einem roséfarbenen Kleid Platz genommen. Sie hatte außergewöhnlich helle Haut und blondes Haar und unterhielt sich gerade mit einem stattlich aussehenden Mann, der in einer weiß-goldenen Paradeuniform steckte. Irgendwie hatte Carya das Gefühl, die kantigen Gesichtszüge des Mannes müssten ihr etwas sagen. Auch die Frau kam ihr vage vertraut vor.
    Bevor sie allerdings darüber nachdenken konnte, erreichte sie ihren Platz, und Cartagena erhob sich. Er runzelte kurz die Stirn, als er sie sah, vermutlich in Reaktion auf ihr neues Kleid. Doch wenn es ihm missfiel, dass sie in einem anderen Aufzug erschien, als er es erwartet hatte, sagte er es nicht. Stattdessen berührte er den Arm des Mondkaisers und lenkte damit dessen Aufmerksamkeit auf sich.
    »Eure Majestät, darf ich Euch Mademoiselle Carya Diodato vorstellen, meine Begleiterin?«
    Der Kaiser richtete seinen Blick auf sie, und Carya spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Er besaß die gleichen, intensiv blauen Augen wie der Prinz. Aber während in denen Alexandres eine unbeschwerte Lebendigkeit lag, der man sich kaum entziehen konnte, überkam Carya hier ein Schaudern. Der Blick des Mondkaisers war wie ein Skalpell, das sich einem direkt in die Seele bohrte, um dort methodisch ihre innersten Geheimnisse freizulegen. Dabei erkannte sie keinerlei bösen Willen darin. Er schien einfach die Gabe zu besitzen, sie nur kurz anschauen zu müssen, um in ihr wie in einem offenen Buch zu lesen. Es war ein verstörendes Gefühl.
    Sie hielt diesem Blick keine zwei Sekunden stand und war froh, dass ihr die Etikette nicht nur erlaubte, die Augen niederzuschlagen, sondern es praktisch von ihr erforderte. Um ihre Ehrfurcht zu überspielen, sank sie in einen tiefen Knicks. »Majestät«, hauchte sie.
    »Mir ist bereits zu Ohren gekommen«, sagte der Kaiser mit der leisen Stimme eines Mannes, der zu mächtig war, um laut werden zu müssen, »dass du die Schönheit eines Diamanten besitzen sollst, der noch nicht vollends geschliffen wurde, aber bereits jetzt heller strahlt als alle anderen Edelsteine.« Er streckte die silbern behandschuhte Hand aus und strich ihr damit sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Diese Stimmen haben nicht gelogen.«
    Eine Hitze stieg in Carya auf, die ihre Wangen zum Glühen brachte. »Danke, Majestät«, antwortete sie verlegen. »Das ist sehr freundlich von Euch.«
    »Erheb dich«, forderte der Mondkaiser sie auf.
    Sie gehorchte und wagte einen zweiten kurzen Blick in diese unheimlich sezierenden Augen. Deren Ausdruck schien ein wenig milder geworden zu sein.
    Der Kaiser deutete eine Neigung des Kopfes an. »Willkommen auf Château Lune.«
    »Danke, Majestät«, sagte Carya.
    Cartagena brummte zufrieden, rückte ihr den Stuhl zurecht, und sie setzten sich

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