Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
konnte sie nicht bei der kaiserlichen Tafel auftauchen, und sie wusste auch nicht, ob sie Cartagena würde in die Augen schauen können, ohne zu verraten, dass sie einige höchst beunruhigende Dinge aus seinem Mund vernommen hatte.
Ganz sicher war sie sich nicht, was sie da mit angehört hatte. Von einer möglichen Allianz des Mondkaisers mit einem Nachbarn war die Rede gewesen. Ging es dabei um die Spaniarden, um Arcadion oder um Albion? Jedenfalls schien ein Krieg gegen den Ketzerkönig bevorzustehen, und das missfiel Cartagena und dieser gesichtslosen Julianne so sehr, dass sie Schritte dagegen zu unternehmen gedachten. Wie genau diese Schritte aussahen, hatten sie nicht gesagt. Aber in Caryas Ohren hatte das Ganze sehr nach einer Verschwörung zum Sturz des Mondkaisers geklungen.
Am liebsten wäre sie mit diesem Wissen sofort zu Alexandre gerannt. Andererseits konnte sie nichts Handfestes vorweisen. Von Wissen konnte also keine Rede sein, eher von Spekulationen. Mit einer solchen Anklage gegen Cartagena, Justeneau und eine Frau, deren Position bei Hofe sie noch gar nicht kannte, die aber offenbar zum engeren Beraterkreis des Mondkaisers gehörte, lehnte sie sich gefährlich weit aus dem Fenster.
Und wofür? , fragte sie sich plötzlich. Sollen sie doch ihre Intrigen spinnen. Es ist sicher nicht die erste bei Hofe, und es wird auch nicht die letzte sein. Ist es meine Aufgabe, den Mondkaiser zu schützen? Bestimmt nicht. Ich sollte Cartagena einfach machen lassen. Ihn gegen mich aufzubringen, bedeutet nur, dass er mir nicht länger hilft, das Geheimnis meiner Vergangenheit zu lüften. Und wegen nichts anderem bin ich hier.
Doch ganz vermochte sie die Stimme damit nicht zum Verstummen zu bringen, die sie drängte, irgendetwas zu unternehmen, einfach weil es falsch war, einen Mann ins Messer laufen zu lassen, den sie gar nicht kannte und daher nicht beurteilen konnte. Der Mondkaiser mochte ebenso der Gute in diesem Spiel sein wie der Böse. Sie wusste es einfach nicht.
Sie legte die Bürste beiseite und ließ sich rücklings aufs Bett fallen. Oh, Jonan , dachte sie, während sie an die Decke über ihrem Kopf starrte. Ich wünschte, du wärst bei mir. Du wüsstest, was zu tun ist. Da bin ich mir sicher.
In diesem Augenblick klopfte es an ihrer Tür.
Kapitel 24
C arya schrak zusammen. Der Abend war noch nicht so weit fortgeschritten, dass es gänzlich ungewöhnlich gewesen wäre, Besuch zu erhalten. Allerdings kannte Carya kaum jemanden im Palast. Wer also sollte etwas von ihr wollen? »Ja?«, fragte sie zögernd.
Die Tür öffnete sich.
»Oh, halt, halt, halt!«, rief Carya, der bewusst wurde, dass sie nur im Untergewand auf dem Bett lag. »Ich bin nicht angemessen gekleidet.« Hastig krabbelte sie unter die Decke.
»Verzeihung, Mademoiselle Carya«, sagte eine Männerstimme, die Carya nicht kannte. Der Besucher stand so hinter der Tür, dass sie ihn nicht sehen konnte und er sie auch nicht. »Botschafter Cartagena wies mich an, Ihnen mitzuteilen, dass er Sie gerne beim Abendbankett des Mondkaisers sehen würde. Sie mögen doch bitte herunterkommen und ihm und den übrigen Gästen Gesellschaft leisten.«
Ah, ein Diener also , dachte Carya. Laut sagte sie: »Es tut mir leid, aber ich fürchte, das geht nicht. Ich … äh …« Ihre Gedanken rasten. Sie brauchte irgendeine Ausrede, warum sie schon im Bett lag. »Ich fühle mich nicht besonders. Mich … äh … plagen Schwindel und Kopfschmerzen. Richten Sie ihm das bitte aus.«
»Verzeihen Sie vielmals, Mademoiselle, aber Monsieur Ambassadeur wirkte sehr bestimmt in seinem Wunsch, Sie heute Abend zu sehen.«
Carya verdrehte die Augen. Sie wollte Cartagena nicht verärgern, bloß konnte sie schlecht in einem klatschnassen Kleid zum Abendessen erscheinen. »Ich würde diesem Wunsch wirklich gerne nachkommen. Aber ich fühle mich nicht nur abgeschlagen, ich habe auch kein Kleid für den Anlass. Ich besitze nur ein gutes Kleid, und das ist ärgerlicherweise nass geworden, als ich … als ich im Garten spazieren war und neben einem der Wasserbecken einen Schwächeanfall erlitten habe.« Sie hoffte, dass diese Geschichte nicht zu abwegig klang.
Wenn dem so war, ließ sich der Bedienstete nichts anmerken. »Ich bedaure, das zu hören«, sagte er einfach nur. »Wenn Sie es gestatten, komme ich herein und nehme das Kleid mit, um es zu reinigen und anschließend zu trocknen. Außerdem sorge ich dafür, dass Sie währenddessen ein anderes Kleid erhalten.«
»Das
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