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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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wie sich dieser Zwischenfall entwickelt haben mochte. Entweder hatten einige der älteren Kinder von Bonasse den Turm gestürmt, nachdem sie durch die Jagdgesellschaft aufs Korn genommen worden waren. Oder sie hatten Alexandre und seine Leute hierhergelockt, um ihnen auf dem freien Gelände unterhalb des Turms, das so gut wie keine Deckung bot, eine Falle zu stellen.
    So oder so hatte Jonan ein Problem. Er würde sich die Kehle wund schreien können, bevor alle Beteiligten die Kampfhandlungen einstellen würden. »He, Capitaine«, rief er zu Rochefort hinunter.
    »Ich sehe es. Die haben sich überall auf dem Turm verteilt«, kam die Antwort.
    »Richtig. Deshalb meine Frage: Haben Sie an diesem Wagen einen Lautsprecher?« Angriffstransporter der Templer besaßen so etwas, damit der Zenturio seine Männer von hinten führen oder seine Feinde zum Niederlegen der Waffen auffordern konnte. Andererseits war der Wagen des Mondkaisers eher ein ziviles als ein militärisches Fahrzeug, ungeachtet des Kanonenturms.
    »Tut mir leid, nein«, erwiderte Rochefort erwartungsgemäß. »Ich kann hupen, wenn Sie möchten.«
    Jonan sondierte mit seinem Fernglas die Lage. In den Überresten eines alten Kiosks hatten sich zwei der Soldaten des Kaisers verschanzt. Ein verendetes Pferd lag einige Meter weiter auf dem Steinboden. Hinter einem Gebüsch am nordwestlichen Stützpfeiler versteckte sich ein vielleicht zehnjähriges Mädchen, aber da es keine Waffe zu haben schien und auch nicht verwundet aussah, ließ Jonan es einstweilen außer Acht. »Dieses Fahrzeug ist kugelsicher, oder?«, vergewisserte er sich.
    »Alles, was aus Revolvern und normalen Gewehrläufen stammt, halten wir aus«, antwortete Rochefort. »Wenn die schwereres Gerät haben, wird es gefährlich.«
    »Haben sie nicht«, beruhigte Jonan ihn. Er klappte das Gewehr in Parkstellung und legte die Sitzfläche um. Dann zog er sich ins Innere des Motorwagens zurück und schloss die Metallluke. Den Waffenstand würden sie im Moment nicht brauchen. Er gesellte sich nach vorne zu Rochefort. »In Ordnung, so machen wir es: Wir geben jetzt ein Signal mit der Hupe und fahren mit dem Wagen direkt ins Auge des Sturms. Dort nehmen wir die zwei Soldaten auf. Dann schauen wir weiter.«
    »Wie Sie wünschen«, erwiderte der Capitaine und lenkte den Wagen direkt auf den metallenen Titanen zu.
    »Pitlit?«, fragte Carya überrascht.
    »Wer ist das denn?«, knurrte Justeneau.
    »Ich bin der Junge, den Sie in Orly beinahe gefasst hätten«, erklärte Pitlit und marschierte selbstzufrieden näher. »Aber eben nur beinahe. Ich habe mich ins Schloss geschlichen, um Carya zu finden. Und dann wurde ich in dieses Zimmer eingesperrt. Nur, wie sage ich immer wieder gerne: So leicht lässt sich ein echter Straßenjunge nicht festsetzen. Ich …«
    Hinter ihm tauchte Factice auf, die weiße Büste eines unbekannten Adligen in den Händen und diese zum Schlag erhoben.
    »Pitlit, pass auf!«, rief Carya erschrocken.
    Auf einmal ging alles sehr schnell. Wie ein Tiger, der aus dem Nichts seine Beute anspringt, war die Attentäterin wieder in ihr, diesmal aber unter ihrer Kontrolle. Caryas Sinne schärften sich, alles Geschehen verlangsamte sich, als müsse es gegen einen enormen Widerstand ankämpfen. Carya sah, wie Factice’ Arme durch die Luft auf Pitlit niederfuhren, die Büste als stumpfen Prügel in den schlanken Händen. Unendlich langsam, aber doch schnell genug, drehte Pitlit sich zur Seite, die Miene in einer Grimasse der Verblüffung erstarrt. Als ihn die Statue an der linken Schulter traf, drückte er instinktiv ab. Der Schuss peitschte ohrenbetäubend laut durch den Raum. Er verfehlte Arida um Haaresbreite, die ihrerseits aus nächster Nähe auf Justeneau feuerte und seinen Schädelinhalt über das Mobiliar verspritzte. Noch im Fallen drückte der sterbende Minister auf den Knopf – doch Carya hatte sich die Kette mit dem Medaillon bereits vom Hals gerissen und schleuderte das Kleinod zielsicher auf Justeneau und Arida, während sie sich gleichzeitig zu Boden fallen ließ, um selbst weniger Angriffsfläche zu bieten. Das Medaillon explodierte keinen Meter von den beiden entfernt in der Luft und perforierte Gesicht, Hals und Dekolleté der Sondergesandten mit nadelspitzen Metall- und Glassplittern. Gurgelnd fiel sie zu Boden.
    Eine Sekunde später war alles bereits vorbei. Justeneau und Arida waren tot. Der Mondkaiser hatte sich neben seinem massiven Thron in Deckung geworfen. Aurelie, ihre

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