Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
verletzt. Mehr als die Hälfte hatte ihre Wunden während des letzten verzweifelten Manövers erlitten, das Carya angeordnet hatte. Sie fühlte sich hundsmiserabel deswegen, aber niemand machte ihr einen Vorwurf.
    Was Denning und seine Mannschaft anging, hatte sie ihnen die Spaniarden vom Hals geschafft. Alles andere war unwichtig. »Wir wussten, dass es gefährlich ist, die Meerenge zu durchfahren«, sagte der Kapitän am Tag nach den nächtlichen Geschehnissen. »Und als uns die Mistkerle in dem Patrouillenboot entdeckt hatten, war sowieso alles aus. Dabei hätten wir leicht alle draufgehen können. Dass wir stattdessen nur vier gute Leute verloren haben, ist nicht zuletzt dein Verdienst. Also hör auf, dir Vorwürfe zu machen, Mädchen. Das ist ein Befehl.«
    Der Rest der Fahrt nach Norden verlief weitgehend ruhig. In der Bucht von Biscaya, vor der Südwestküste von Francia, gerieten sie einen Tag und eine Nacht lang in einen schweren Sturm, der Denning aber eher Spaß zu machen als zu beunruhigen schien. Ansonsten ereignete sich nichts Nennenswertes. Carya, Jonan und Pitlit halfen nun regelmäßiger an Bord aus, um die verlorenen Besatzungsmitglieder zu ersetzen, und sie übten sich weiter in Francianisch, damit sie es möglichst gut beherrschten, wenn sie an Land gingen.
    An einem nebligen Septembermorgen erreichten sie mit der Albatros die Nordwestküste von Francia. Denning fuhr sie bis in Sichtweite des flachen Sandstrandes, der an dieser Stelle die Grenze zwischen See und Land bildete. Hinter dem Strand war eine einzelne Reihe verfallener Häuser zu sehen, die zu einem offenbar aufgegebenen Küstenort gehörte. Ein hölzerner Steg ragte vom Strand ins bleigraue Wasser hinaus.
    »Da wären wir«, sagte Denning, der gemeinsam mit Jonan, Carya und Pitlit an der Reling ihres Schiffes lehnte. Er kaute auf einem Zahnstocher herum, und seine Miene wirkte so trübe wie das Wetter um sie herum.
    »Das sieht mir nicht nach Le Havre aus«, sagte Jonan zweifelnd.
    »Ist es auch nicht«, bestätigte der Schmuggler. »Die Stadt liegt noch vier oder fünf Seemeilen nördlich von hier. Aber näher bringe ich euch an den Ort nicht heran. Ist nicht gesund, wenn ihr versteht, was ich meine.«
    »Eine Todeszone?«
    Denning nickte. »Die halbe Küste ist verseucht. Ist wirklich kein guter Ort, um sich dort lange aufzuhalten. Wir setzen euch nur mit einem Ruderboot ab. Dann sind wir weg. Und ihr solltet ins Landesinnere reisen, so schnell ihr könnt.«
    »Sie wirken nicht ganz zufrieden«, stellte Carya fest. »Was haben Sie, Kapitän Denning? Sie müssten doch froh sein, uns wieder loszuwerden.«
    »Hm, ja, müsste ich wohl«, brummte der Kapitän und rieb sich über das unrasierte Kinn. »Tatsache ist aber, dass ich euch ungern da rausschicke. In den vergangenen Wochen an Bord habt ihr euch ganz gut gemacht.« Er schwieg kurz und räusperte sich dann, als wäre ihm das Geständnis fast peinlich. »Ihr spielt nicht zufällig mit dem Gedanken, in die freie Wirtschaft zu gehen?«
    »Sie meinen, mit Ihnen die Meere zu befahren?«, fragte Carya.
    »Genau das. Wisst ihr, es ist schwierig, zuverlässige Leute zu finden. In unserem Geschäft holt man sich leicht faule Eier an Bord, ehemalige Piraten, die einem das Schiff unterm Hintern wegklauen wollen. Ich habe in der Meerenge von Gibral-Taar ein paar Männer verloren. Frisches Blut könnte ich gut gebrauchen.«
    »He, das ist klasse!«, entfuhr es Pitlit. Im nächsten Moment kreuzte sein Blick den von Carya. »Aber wie es scheint, müssen wir dankend ablehnen«, setzte er etwas weniger enthusiastisch hinzu.
    »Willst du bei Kapitän Denning bleiben?«, fragte Carya ihn.
    »Ohne euch?« Der Straßenjunge schüttelte den Kopf. »Kommt nicht infrage! Das habe ich doch schon im Dorf der Mutanten gesagt.«
    »In diesem Fall …« Carya sah den Schmuggler mit bedauernder Miene an. »Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Bis auf den Kampf in der Meerenge von Gibral-Taar waren die zwei Wochen an Bord der Albatros so schön, dass mir der Abschied schwerfällt. Aber wir müssen gehen, denn auf uns wartet noch ein Geheimnis, das gelüftet werden will. Doch wer weiß, was die Zukunft bringt? Vielleicht treffen wir uns wieder. Und sollten Sie uns dann erneut fragen, mag unsere Antwort ganz anders ausfallen.«
    Denning richtete sich auf. Seinem Gesicht war nicht anzusehen, ob er enttäuscht war, dass die drei sein Angebot ausgeschlagen hatten. »Also schön. Bringen wir es hinter uns.« Er hob die

Weitere Kostenlose Bücher