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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Stimme. »Géant! Lass ein Beiboot zu Wasser und such zwei Leute aus, die unsere Gäste ans Ufer rudern. Und das Ganze ein bisschen schwungvoll! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, hier im Nebel herumzudümpeln.«
    Rasch holten Carya, Jonan und Pitlit ihr Gepäck, bevor sie sich von Hook und den anderen verabschiedeten. An Steuerbord hing schon das bereite Beiboot. Jonan half Carya hinein, was diese süß, aber unnötig fand. Dann ließ Denning das Boot mithilfe einer Winde zu Wasser. Er tippte sich grüßend mit zwei Fingern an die Stirn, bevor sich Géant persönlich und ein weiterer Schmuggler in die Riemen legten, um sie zum Ufer zu bringen.
    Die Nebelschwaden lichteten sich etwas, als sie an Land gingen. Sie enthüllten eine öde, dem Verfall und der Wildnis preisgegebene Gegend. Alle Farben, selbst die des Grases und der Bäume, schienen verblasst. Ein kalter Wind zog heulend um Hausecken und brachte Fensterläden zum Klappern. Es war der trostloseste Anblick, den Carya seit Langem gesehen hatte.
    Da das Wasser zu niedrig stand, um am Steg anzulegen, ließ Géant das Boot daneben auf den flachen Sandstrand auflaufen, sprang platschend hinaus und zog es mit schwellenden Muskeln noch etwas höher, damit Carya und die anderen keine nassen Füße bekamen.
    »Vielen Dank«, sagte Carya, während sie in den feuchten Sand sprang und sich ein paar Schritte vom leckenden Wellensaum entfernte. »Und viel Erfolg auf eurer Reise nach Albion.« Sie streckte dem Hünen zum Abschied die Hand hin.
    Dieser ergriff sie mit beiden Händen. Sie waren so groß, dass ihre Finger darin vollständig verschwanden. »Ihr geht nach Paris, nicht wahr?«, sagte er leise auf Francianisch.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Carya.
    Sie bekam ein Schulterzucken zur Antwort. »Es gibt nicht viele Gründe, sich sonst hier oben herumzutreiben.«
    Carya musterte Géant. Sie fragte sich, warum ihn ihr Reiseziel interessierte. Sie beschloss, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. »Angenommen, es wäre so: Was wäre dann?«
    »Es ist gar nichts Großes«, erwiderte der Erste Maat der Albatros . »Nur … mein Bruder lebt in Paris, also zumindest lebte er dort, als ich es vor Jahren verlassen habe. Wir gehörten zu einer Bande von Straßenkindern, die sich rund um eine alte Kirche, den Invalidendom, herumgetrieben haben. Solltet ihr zufällig in die Gegend kommen … Er heißt Bonasse und sieht mir sehr ähnlich. Ihm fehlt das linke Bein. Darum konnte er damals nicht mit mir kommen. Also, wenn ihr ihn seht … kann ja passieren …, sagt ihm doch bitte, dass es mir gut geht. Würdest du das für mich tun?«
    Erstaunt blinzelte Carya den tätowierten Koloss an. Sie hätte nicht gedacht, dass ein so sentimentales Herz in seiner Brust schlug. In einem Aufwallen von Sehnsucht musste sie an ihre eigene Familie, ihre Mutter und ihren Vater denken, die mittlerweile hoffentlich gut in Bolonara angekommen waren und dort unbehelligt leben durften. »Natürlich«, sagte sie. »Das mache ich gerne. Falls ich ihn sehe.«
    »Danke.« Géant lächelte. Er drückte noch einmal ihre Hand, bevor er sich abwandte, sich von Jonan und Pitlit verabschiedete und das Boot zurück ins Wasser schob. Mit entschlossenen Ruderschlägen entfernte sich das Beiboot und hielt auf den grauen Schemen namens Albatros zu, der vor der Küste in den Wellen trieb. Nicht lange danach nahm das Frachtschiff leise grollend Fahrt auf und verschwand im Nebel.
    Pitlit seufzte. »Echt blöd, dass wir nicht bei Käpt’n Denning bleiben konnten.«
    »Oder er bei uns«, fügte Jonan hinzu. »Es gibt einen Fluss, der von der Küste bis direkt nach Paris führt. Wenn uns die Schmuggler mit ihrem Boot bis vor die Tore der Stadt hätten bringen können, würde uns jetzt nicht ein fünftägiger Fußmarsch bevorstehen.« Er öffnete seinen Beutel und holte den Strahlungsmesser hervor. »Aber jammern hilft nichts. Stattdessen sollten wir uns besser auf den Weg machen. Fang!« Er warf Pitlit den Strahlungsmesser zu. »Du überwachst die Werte, ich übernehme die Führung.« Er zog den Navigator aus der Tasche seiner Lederjacke und schaltete das Gerät ein.
    »Und was mache ich?«, wollte Carya wissen.
    »Du hältst die Augen nach allem offen, was wir irgendwie gebrauchen könnten. Ab jetzt müssen wir mit unserem Besitz und unseren Vorräten haushalten. Wir wissen nicht, was uns auf dem Weg nach Paris und in der Stadt selbst erwartet.«
    Sie verließen die Küste ziemlich bald. Der Navigator, den Jonan mit

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