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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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ihrem Ziel gefüttert hatte, riet ihnen, einer Handelsstraße zu folgen. Sie kam von Südwesten und zog sich in einem weiten nördlichen Bogen, der auf der Karte wie eine flache Hügelkuppe aussah, hinüber nach Südosten. Dabei würden sie ungefähr dem Verlauf des von Paris kommenden Flusses folgen, den Jonan erwähnt hatte, ohne allerdings seine zahlreichen Schleifen mitzumachen. Da sie auf einer großen Straße deutlich schneller vorankamen, als wenn sie sich mitten durch die Wildnis schlugen, nahmen sie den Vorschlag ihres elektronischen Führers an.
    Die Umgebung änderte sich kaum. Der Himmel blieb grau, die Landschaft blass. Die Luft war feucht und kühl und schmeckte nach See. Schon in guten Tagen schienen die Menschen an diesem Ort eher in einfachen Verhältnissen gelebt zu haben. Zumindest kam es Carya so vor, als sie an den Ruinen flacher brauner Häuser mit schwarzen Schindeldächern vorbeikamen. Überall wucherte Unkraut, und einstmals sauber geschnittene Hecken hatten sich zu aufgedunsen aussehendem Buschwerk entwickelt.
    Nach knapp drei Stunden, die sie gelaufen waren, ohne auch nur einer Menschenseele zu begegnen, erreichten sie die Handelsstraße. Sie befand sich in verhältnismäßig gutem Zustand, auch wenn es nirgendwo Anzeichen dafür gab, dass sie regelmäßig befahren wurde. Überhaupt fiel ihnen keinerlei Leben auf, und die Blätter der Bäume wiesen eine ungesund gelbliche Färbung auf.
    Den Grund dafür nannte ihnen Pitlit: »Die Strahlung ist hier ganz schön hoch, glaube ich. Schau mal, Jonan.«
    Jonan nahm das Gerät entgegen und überprüfte die Werte, bevor er düster nickte. »Ja, wir sollten uns lieber beeilen und hoffen, dass es in den nächsten ein oder zwei Stunden besser wird.«
    Sie hatten Glück. Nach knapp einer Stunde strammen Marsches sanken die Werte so deutlich, dass sie keine ernstere Gefahr mehr darstellten. Sie mussten die Todeszone an einem Ausläufer durchquert haben.
    Als es dämmerte, verließen sie die Handelsstraße und kletterten die Böschung hinunter, um ein verdorrtes Feld zu überqueren. Am anderen Ende stand eine lose Ansammlung Häuser. Zwei von ihnen besaßen kein Dach mehr, und die Mauern hatten Wind und Wetter nachgegeben. Die übrigen waren in besserem Zustand, wenngleich von wild wuchernden Sträuchern halb verschluckt.
    Durch das zersplitterte Glas einer Verandatür stiegen sie ins Innere eines der Häuser ein.
    »Hallo? Jemand zu Hause?«, rief Jonan, das Sturmgewehr im Anschlag. »Wir wollen Ihnen nichts tun. Wir sind nur Wanderer auf der Durchreise.«
    Er bekam keine Antwort. Nirgendwo im Haus war ein Geräusch zu hören.
    »Hm«, brummte er und senkte die Waffe. »Scheint verlassen zu sein, genau wie das ganze Dorf.«
    Carya blickte sich um. Offenbar waren sie nicht die Ersten, die dieses Einfallstor nutzten, um sich im Wohnraum der unbekannten Familie einzunisten. Moos und Unkraut wuchsen hinter der Tür in einem grünen Teppich, der krakenartige Arme bis in die hinteren Ecken des Zimmers ausgebildet hatte. Das Sitzkissen eines der Sessel war zerfetzt und das Futter zusammen mit Blättern und herausgerissenen Buchseiten zu einem Schlafplatz eingerichtet worden, der den graubraunen Haarbüscheln nach zu urteilen von einem kleinen Pelztier, vielleicht einem Marder, genutzt worden sein musste. Und über einem Regal mit kleinen Porzellanfigurinen hing direkt unter der Decke etwas, das wie ein Schwalbennest aussah. Dabei war das Nest weniger erstaunlich, als der Umstand, dass keines der kleinen Figürchen zu fehlen schien. Carya erblickte filigrane Rehe, kitschige Hasen und andere Tiere, die völlig verstaubt in ihren Fächern saßen.
    »Sieht so aus, als sei dieser Ort von Plünderern verschont geblieben«, stellte Jonan fest, der wie sie den Blick über die Einrichtung hatte schweifen lassen.
    »Ja«, sagte Carya, während sie sich die Tiere besah. »Seltsam.« Sie nahm ein Reh aus dem Regal und strich behutsam den Staub von der Figur. Es bestand aus weißem Porzellan. Rajael hätte es sicher geliebt. Das Zimmer der Freundin war ebenfalls voll mit Krimskrams gewesen. Der Gedanke daran versetzte Carya einen Stich im Herzen. Rasch stellte sie das kleine Tier zurück.
    »Vielleicht finden wir hier Wertsachen, die wir mitnehmen können«, meinte Pitlit eifrig und verschwand durch die Tür, um tiefer ins Haus vorzudringen. Ohne Scheu, als gehöre das fremde Haus ihm, marschierte er in den nächsten Raum und begann darin herumzustöbern. Carya hörte, wie

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