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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Schranktüren und Schubladen geöffnet wurden. Sie warf Jonan einen unbehaglichen Blick zu.
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte er leise. »Es fühlt sich an wie Diebstahl. Und das, obwohl die früheren Bewohner sicher schon seit Jahren nicht mehr hier leben.«
    Carya nickte. »Es ist eine Sache, etwas aus einer völligen Ruine mitzunehmen. Aber dieses Haus wirkt fast noch bewohnt, sieht man mal von all dem Staub, dem Moos auf dem Boden und dem Nest unter der Decke ab. Es würde mich nicht wundern, wenn gleich ein Mann auf seinem Fahrrad vor der Haustür hält und uns fragt, was wir in seiner Wohnstube treiben.«
    »Das halte ich für eher unwahrscheinlich.« Um Jonans Mundwinkel zuckte ein mattes Lächeln. »Hier ist alles seit Jahren ausgestorben, wenn du mich fragst.« Er schulterte sein Gewehr und trat an einen der Schränke, um ihn zu öffnen. Dahinter befand sich eine flache schwarze Wand, ein Apparat, der wie ihr Navigator aussah, allerdings enorme Ausmaße hatte.
    »Licht Gottes«, murmelte Jonan.
    »Was ist das?«, wollte Carya wissen.
    »Ein Bildschirm. Wenn ich mich recht entsinne, konnte man darauf früher Nachrichten und gespielte Geschichten anschauen. Es war wie ein Theaterbesuch bei uns in Arcadion, nur dass man nicht das Haus verlassen musste, weil man auf dem Bildschirm gezeigt bekam, was im Theater gespielt wurde.« Er drückte auf einige Knöpfe am Rand der glatten, mattschwarzen Fläche. »Natürlich kaputt«, sagte er, als nichts passierte. »Kann ja auch gar nicht funktionieren. Es gibt keine Energie mehr. Und auch niemanden, der für diese Bildschirme Theater spielt.«
    Jonan ging in die Knie und zog eine Schublade unter dem Bildschirm auf. Als Carya einen zögernden Schritt näher trat, sah sie, dass darin – fein säuberlich sortiert – schmale Objekte angeordnet waren, die ein wenig an Bücher erinnerten, aber aus Metall und einem anderen Stoff bestanden, der glatt und halb durchsichtig war. Jonan zog eine Handvoll hervor und sah sie sich an. »Ich glaube, das sind Aufzeichnungen von solchen Theaterspielen«, sagte er.
    »Zeig mal«, bat Carya ihn.
    Er reichte ihr zwei der Gegenstände. Vorne war jeweils ein Bild zu sehen. In einem Fall handelte es sich um eine attraktive Frau in schmutziger Kleidung, die mit zwei automatischen Waffen vor einem schwefelgelb bewölkten Himmel posierte. Von dem anderen grinste Carya ein Metalltotenkopf mit rot glühenden Augen entgegen. Die Texte auf der Rückseite waren auf Francianisch und enthielten zahlreiche Worte, die sie nicht verstand. Wie es schien, handelten die Geschichten aber von einer Welt, in der ein Virus alle Menschen in Kannibalen verwandelt hatte, und von einer Killermaschine aus der Zukunft, die vor nichts haltmachte, um eine junge Frau umzubringen.
    Verwirrt gab Carya Jonan die Gegenstände zurück. »Die Menschen vor dem Sternenfall waren wirklich seltsam. Sie haben sich zum Spaß Geschichten von Leid und Tod angesehen.«
    »Das war damals so, es ist heute so und wird auch immer so sein«, antwortete Jonan. »Es liegt nun mal in der Natur vieler Leute, sich an Leid und Tod zu ergötzen. Sie empfinden solche Geschichten als spannende Unterhaltung. Frag mich nicht, warum.«
    »In meiner Natur liegt es jedenfalls nicht«, erklärte Carya kategorisch.
    Ein eigenartiger Ausdruck huschte über Jonans Gesicht.
    »Was ist?«, fragte Carya und stemmte die Hände in die Hüften.
    Er schüttelte nur den Kopf. »Nichts. Mir ist nur so ein Gedanke durch den Kopf gegangen. Vergiss es. Hatte nichts mit dir zu tun.« Doch seine Augen verrieten die Lüge.
    Bevor Carya allerdings Gelegenheit hatte, etwas darauf zu erwidern, vernahmen sie einen Schrei aus einem der Nachbarzimmer. Er klang eher überrascht als furchtsam, ganz sicher war Carya jedoch nicht. »Pitlit?«, rief sie fragend. »Alles in Ordnung?«
    »Kommt mal her«, antwortete der Junge vom Flur her.
    Sie folgten der Aufforderung und fanden Pitlit um die Ecke, am Ende des schmalen Korridors, in einem Türrahmen stehend. Der Junge hielt ein Kästchen in den Händen, in das er Schmuck und andere Fundstücke gestopft hatte. Auf seiner Miene lag eine Mischung aus Ekel und etwas anderem, das Carya nicht richtig zuordnen konnte. »Da drin«, sagte der Junge dumpf.
    Sie trat hinter ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter und folgte seinem ausgestreckten Finger mit den Blicken. Ein Schauer durchlief sie, und unwillkürlich krampften sich ihre Finger in den Stoff von Pitlits Jacke.
    Vor ihnen befand

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