Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
mindestens zwei Versuche gegeben hatte, Dampfloks auf die Schienen zu bringen, um Städte wie Arcadion und Firanza im Norden oder Napuli im Süden besser zu verbinden.
Er stellte sein Sturmgewehr, das ihm mittlerweile recht schwer wurde, an die Wand der Unterführung und sank daneben zu Boden. Um Energie zu sparen, schaltete er die Lampe wieder aus. Den Rücken angelehnt und die Beine angewinkelt, wartete er im Dunkeln. Hoffentlich kommen sie bald , ging es ihm durch den Kopf.
Die Zeit zog sich dahin. Etwa zehn Minuten verstrichen, die sich aber wie eine halbe Ewigkeit anfühlten. Auf einmal hörte Jonan das Geräusch eines schweren Motorwagens nahen. Das musste das Fahrzeug sein, das sie beobachtet hatten. Vorsichtshalber nahm er sein Sturmgewehr auf und schlug sich ins Gebüsch. Er hatte nicht so genau darauf geachtet, ob man von der Straße über ihm hier herunterfahren konnte, und er wollte nicht ungeschützt unter der Unterführung hocken und womöglich von den Dienern des Mondkaisers erwischt werden.
Aber der Motorwagen machte keine Anstalten, die obere Hauptstraße zu verlassen. Die Lichtkegel der Scheinwerfer glitten, zusammen mit dem Motorengeräusch, über seinen Kopf hinweg und verschwanden rasch nach Norden außer Sicht. Die Francianer kehrten an den Hof ihres Souveräns zurück. Von dem Fluggerät war nichts zu sehen.
Jonan verharrte noch eine Weile im Gebüsch, bevor er an seinen Warteplatz zurückkehrte. Zum wiederholten Mal schaute er auf die Uhr. Mittlerweile lag seine Ankunft bereits mehr als eine Viertelstunde zurück. Und keine Spur von Carya oder Pitlit.
Langsam wurde Jonan nervös. Er begann sich Vorwürfe zu machen, weil er geflohen war, statt die Meute ihrer Verfolger auf sich aufmerksam zu machen und sie dazu zu bringen, ihn als primäres Ziel zu betrachten. Er war der Exsoldat. Er trug das Sturmgewehr bei sich. Es wäre seine Pflicht gewesen, sich den Feinden zu stellen und Caryas und Pitlits Flucht zu decken, bis er sicher sein konnte, dass sie entkommen waren.
Im Nachhinein betrachtet konnte Jonan sich den leichtsinnigen Vorschlag, sich zu trennen und dann hier wieder zu treffen, nur dadurch erklären, dass er wegen des Sturzes von der Brücke nicht ganz bei Sinnen gewesen war. Sein Wunsch, Carya möge sich erst einmal aus der Schusslinie bringen, anstatt zu versuchen, ihn zu retten, war übermächtig gewesen. Bis zu diesem Punkt konnte er sein Handeln auch noch vor sich rechtfertigen. Nur hätte er selbst nicht verschwinden dürfen, ohne sich davon zu überzeugen, dass Carya und Pitlit zurechtkamen.
Ich muss zurück , erkannte er. Ich muss sie suchen gehen. Sie hätten doch längst hier sein müssen. Etwas ist schiefgegangen.
Er erhob sich und nahm sein Sturmgewehr wieder auf, als er ein Rascheln in den Büschen hörte. Alarmiert fuhr er herum und legte die Waffe an. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Er schaute durch die Restlichtverstärkeroptik. Es war Pitlit – Pitlit allein . Jonans Magen verkrampfte sich schmerzhaft, während er das Gewehr senkte und sich über die Schulter hängte, nur um die Lampe wieder anzuknipsen, damit sie einander sehen konnten.
»Jonan! Mann, bin ich froh, dich zu treffen. Da draußen im Dunkeln ist es echt unheimlich.« Keuchend sank der Straßenjunge auf die Knie. Er musste die ganze Strecke gerannt sein.
»Wo ist Carya?«, fragte Jonan in unheilschwangerem Tonfall.
Pitlit sah ihn mit unbehaglicher Miene an. »Diese Kerle … die mit dem Panzerwagen … sie haben sie erwischt.«
Die Worte trafen Jonan wie Schläge ins Gesicht. »Was meinst du mit › erwischt ‹ ? Sie ist doch nicht …«
»Tot? Nein. Aber sie haben sie mitgenommen.«
»Wie konnte das passieren? Ihr hattet sie doch schon praktisch abgehängt.« Jonan war fassungslos.
»Wir konnten nichts dagegen machen. Sie haben uns mit diesem Raketenflugzeug verfolgt. Ich hätte mich ja lieber weiter in dem zerstörten Transportwagen versteckt. Aber Carya fürchtete, dort würden sie uns auf jeden Fall schnappen.« Pitlit sprang auf, und die Worte sprudelten jetzt förmlich aus ihm heraus. »Also sind wir wieder raus. Wir wollten durch den Tunnel unter dem gespaltenen Haus abhauen. Aber sie waren uns sofort auf der Spur. Und dann ist Carya auch noch mit dem Knöchel umgeknickt. Sie konnte nicht weiterlaufen. Ich wollte bei ihr bleiben und sie verteidigen. Aber sie hat gesagt, ich solle zu dir rennen und dir Bescheid geben, dass die Mistkerle sie haben.«
Im Grunde hatte Jonan etwas
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