Im Schatten des Mondlichts - das Erbe
Frühstück vorbereiten und nebenbei schon die erste Scheibe Toast verdrücken.
Wenig später wischte sie sich die Krümel von den Lippen. Der Tisch war gedeckt, Kaffeeduft zog durch das Erdgeschoss und Butter, Marmelade, Wurst und Käse waren auf Tellern angerichtet. Naomi widerstand der Versuchung, sich einen zweiten Toast zu gönnen.
Sie linste aus dem Esszimmer, als sie an der Haustür ein Geräusch vernahm und Romina entdeckte, die mit Tüten beladen zur Küche ging.
»Wenn ich gewusst hätte, dass du auch schon auf den Beinen bist, wäre ich mitgekommen«, sagte sie. »Guten Morgen, Romina.«
»Guten Morgen.« Romina packte die Tüten aus. Frisches Obst, Gebäck, Fisch und Gemüse kamen zum Vorschein. »Das nächste Mal gerne. Ich gehe immer früh zum Markt. Dann sind die Touristen noch nicht unterwegs. In einer Stunde blockieren sie die Durchgänge, weil sie jeden einzelnen Stand fotografieren müssen.« Den Fisch und das Gemüse verstaute sie im Kühlschrank, während sie die Backwaren in einen Brotkorb gab.
Naomi schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein und reichte sie ihr. »Obstsalat zum Frühstück? Eine tolle Idee.«
»Ist mit dir alles okay? Du sahst gestern niedergeschlagen aus. Außerdem hast du dich gleich nach dem Essen verzogen.«
Naomi überging Rominas Frage, zog sich ein Schneidebrett heran und suchte in den Schubladen nach einem Messer. »Sagt dir Jag War etwas?«
Ihre Urgroßmutter pustete gerade in die Kaffeetasse, um sich nicht den Mund zu verbrennen und hielt mit gespitzten Lippen in der Bewegung inne. »Hm. Noch nie gehört. Klingt fast wie Jaguar. Warum fragst du?«
»Ich habe unter Dorotheas Bett eine Schachtel mit Fotos und Unterlagen gefunden. Dort standen die Worte auf einer Broschüre. Und du hast bestimmt noch nie etwas darüber gehört?«
Romina schüttelte den Kopf. »Dorothea war früher viel unterwegs. Immer auf der Suche nach unseren Vorfahren. Sie wollte das Rätsel um die Verwandlung lösen. Erst forschte sie in Asien, dann meinte sie, es könnte mit den Maya zusammenhängen, später verlegte sie ihre Recherche nach Europa. Doch wirklich herausgefunden hat sie nichts. Aus diesem Grund sagte sie zu mir, ich solle meine Suche einstellen. Es brächte nichts, außer, dass ich durch meine Nachforschungen die Lebenden vernachlässige.«
Naomi schnitt eine Banane in feine Scheiben. »Hat sie dir von Mexiko erzählt?«
»Nicht, dass ich mich daran erinnern könnte. Was sollte sie dort gewollt haben?« Romina trank einen Schluck, stellte die Tasse ab und griff nach einem Apfel, um ihn klein zu schneiden. »Frag Iker danach. Mit ihm hat sie sich oft ausgetauscht. Allerdings vermute ich, dass er ebenso wenig darüber weiß, wie ich.«
»Deine Aufzeichnungen im Stammbaum beginnen erst mit Dorothea. Warum geht es nicht weiter zurück?«
»Weil damals alle umgekommen sind und Dorothea niemanden mehr über ihre Abstammung befragen konnte. Der Gemeindepfarrer muss die Unterlagen, die mit der Herkunft ihrer Familie zu tun hatten, aus den offiziellen Dokumenten gelöscht haben. Warum auch immer er so gehandelt hat, die Informationen sind verloren.« Romina sah sie eindringlich an. »Woher rühren deine Fragen eigentlich? Wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen.«
Naomi gab die Fruchtstücke in eine Schale und setzte sich anschließend auf die Anrichte, was ihr einen missbilligenden Blick von Romina einbrachte. »Weil ich eine Notiz über Dorotheas Eltern entdeckt habe. Es existiert auch ein Zeitungsartikel über die Hochzeit von Dorotheas Eltern. Leider gibt es keine Aufzeichnungen mehr über Dorotheas Mutter Ana María oder über weitere Geschwister von ihr. Nur eine These, von wem Ana María abstammen könnte.« Sie fischte nach ihrer Kaffeetasse. »Sagt dir der Name Martín Cortés was?«
»Cortés sagt mir natürlich etwas. Und das sollte es dir eigentlich auch. Was lernt ihr nur in der Schule?«
Naomi zuckte mit den Schultern. »Und?«
»Naja, der Name Martín sagt mir nicht wirklich was.« Romina setzte sich an den Küchentisch und quittierte Naomis spöttisches Prusten mit einem Kopfschütteln. »Aber Hernán Cortés ging als Eroberer Mexikos in die Geschichte ein.«
»Vielleicht gibt es dabei aber doch einen Zusammenhang. Warum sollte Dorothea nach Mexiko reisen, sich Dokumente zu Maya-Schriftrollen besorgen und dann noch den Namen Cortés aufschreiben?« Naomi rutschte von der Anrichte.
In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Sie war fest davon überzeugt,
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