Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
gemütliche Haus. Obwohl alles gleich war, kam Naomi ihr Zuhause viel kleiner vor. Sogar der Ort wirkte noch verschlafener und bedrückender auf sie als früher. Naomi seufzte. Sie wollte sich nur in ihr Zimmer verkriechen, die Bettdecke über den Kopf ziehen und ihre Ruhe haben. Nicht mehr nachdenken, keine Fragen beantworten, mit niemandem reden.
Luna wuchtete das Gepäck aus dem Fahrzeug. Naomi kam ihr zu Hilfe, doch ihre Mutter nahm ihr schnell den Koffer aus der Hand. Sie schien eilig ins Haus zu wollen. In ihren Augen lag ein Funkeln, was Naomi nicht entging.
Leandra hielt Naomi am Arm fest, während Luna auf die Haustür zusteuerte. »Sie weiß von nichts, Naomi, und so soll es auch bleiben. Du musst dich jetzt zusammenreißen.«
Naomi sah ihre Großmutter fragend an.
»Du wirst es gleich sehen. Ich versuchte, es ihr auszureden.«
Leandra ließ die Schultern hängen und ging voraus. Naomi schlurfte hinterher. Im Gang hing ein Transparent mit der Aufschrift: »Willkommen zu Hause!«
Hier stimmte etwas nicht. Die in der Luft liegende Spannung war beinahe greifbar. Bevor Naomi reagieren konnte, stürmten ihre Freunde aus der Küche, und die Hölle brach los. Naomi schloss für einen Moment die Augen. Innerlich schrie sie auf. Nichts kam ihr weniger gelegen, als eine Überraschungsparty. Sie widerstand der Versuchung, sofort aus dem Haus zu laufen. Ihre Mutter meinte es gut. Das hatte Leandra also damit gemeint, sie habe versucht, es Luna auszureden. Zu einem anderen Zeitpunkt, unter anderen Umständen, hätte Naomi sich gefreut, alle ihre Freunde um sich zu haben. Eine Überraschungsparty hatte sie sich immer lustig vorgestellt. Doch an diesem Tag kam es ihr vor wie ein wahr gewordener Albtraum.
Naomi riss sich zusammen und bemühte sich, diese Party irgendwie hinter sich zu bringen. Sie erzählte von der Aufnahmeprüfung, samt der gebrochenen Nase, und wie es im abgelegenen Maine zuging. Sie berichtete von Karstens Besuch und wie er ihr die einzige Freundin ausgespannt hatte. Alice hatte sich während seines Aufenthalts in Stillwater heftig in ihn verliebt und war ihm nach Barcelona gefolgt, wo sie jetzt gemeinsam in einer kleinen Wohnung lebten. Alles, was sie sonst beschäftigte, verschwieg sie. Kein Wort von Roman, kein Wort davon, dass sie schwanger war, kein Wort darüber, warum sie früher zurückgekehrt war. Naomi spürte den aufmerksamen Blick ihrer Großmutter. Ihre Freunde und auch ihre Mutter schienen ihre Schweigsamkeit auf die anstrengende Reise zu schieben und plauderten wild durcheinander. Nur Leandra ahnte, was tatsächlich in ihr vorging. Sie warfen sich vielsagende Blicke zu. Nach zwei Stunden beendete Leandra das Treiben.
»Leute, morgen ist auch noch ein Tag. Naomi ist todmüde. Seht sie euch an. Es ist besser, wenn wir sie nicht noch länger von ihrem Bett fernhalten.« Sie zeigte theatralisch auf die Wanduhr. »Es ist zwar erst zehn, aber Naomi ist seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen.«
Naomi seufzte in sich hinein und gähnte bestätigend. »Stimmt. Ich bin wirklich hundemüde.«
Nachdem ihre Freunde gegangen waren, schlurfte Naomi in den ersten Stock. Sie brauchte dringend eine heiße Dusche und ihre Ruhe. In ihrem Zimmer wusste sie wenigstens, dass sie sich nicht zusammennehmen musste, um nicht wegen ihrer finsteren und traurigen Miene irgendwelche Fragen heraufzubeschwören. Luna hatte den Koffer bereits nach oben getragen, und er lag geöffnet auf ihrem Bett. Naomi verabschiedete sich mit einem Küsschen von ihrer Mutter und dankte ihr für die Überraschungsparty. Von ihrer Großmutter war nichts zu sehen. Vermutlich hatte sie sich ebenfalls schon schlafen gelegt. Sie klopfte leise an deren Zimmertür und wünschte ihr durch die geschlossene Tür eine gute Nacht.
Wenig später stand Naomi unter der prasselnden Dusche. Sie drehte ihre Wunde schützend zur Seite. Ihr Gesicht hielt sie direkt in den warmen Wasserstrahl. Das Wasser spülte die aufsteigenden Tränen fort. Naomi schloss die Augen und ließ ihrem Kummer freien Lauf. Sie schluchzte und ihr Körper zitterte. Ohne Rücksicht auf ihre Verletzung rutsche sie an den Wandfliesen zu Boden, setzte sich in die Duschwanne und umschlang mit beiden Armen ihre Beine. Das Wasser prasselte wie ein heftiger Regenguss auf sie nieder. Sie kauerte in der Wanne, bis nur noch kaltes Wasser kam; erst dann drehte sie den Hahn zu. Fröstelnd wickelte sie sich ein Handtuch um den Körper.
Naomis Haar tropfte vor Nässe und
Weitere Kostenlose Bücher