Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
lag ein trüber Wolkenteppich, dunkelgrau, wie ihre Stimmung. Fühlte es sich so an, wenn einem das Herz brach? Die an ihr nagende Bedrückung nahm mit jeder Meile zu, die das Flugzeug sie weiter von Roman fortbrachte. Ihre Entscheidung war richtig gewesen, das wusste sie. Sie hätte sie auch ohne das Versprechen an Kai getroffen. Der Gedanke an Kais traurige Augen presste ihr das Herz noch mehr zusammen. Auch er hatte sich von Cassidy getrennt, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Umsonst. Sie war tot. Sammy hatte sie auf dem Gewissen. Und nun hatte sie Roman verlassen. Vermutlich wirkten ihre Augen jetzt genauso traurig. Die unbeschwerte Zeit war endgültig vorüber. Und damit auch die Zeit mit Roman. Sie wusste nicht, ob und wann sie ihn wiedersehen würde.
Naomi zog ihren Koffer vom Gepäckband. Ein stechender Schmerz in der Schulter ließ sie die Luft anhalten. Die kleinste Anstrengung erinnerte sie an ihre Verletzung. Die Wunde, die Sammys Reißzähne ihr zugefügt hatten, war noch nicht komplett verheilt. Roman hatte sie gesäubert, genäht und verbunden. Eigentlich hätte sie zu einem Arzt gehen müssen. Doch wie hätte sie eine solche Bisswunde erklären sollen? Durch eine glückliche Fügung war Bertram, Romans Onkel, für zwei Wochen zu seiner Familie nach Florida gereist. Dadurch hatten sie das Haus am See für sich gehabt. Keiner stellte Fragen, keiner bemerkte ihre Verwundung und selbst Roman konnte sich nun nicht mehr daran erinnern. Ebenso wenig, wie an sie.
Tränen füllten Naomis Augen. Mit einer energischen Bewegung wischte sie sich über die Wange. Sie wollte ihrer Mutter nicht mit verheulten Augen gegenübertreten. Luna würde es nicht verstehen. Sie hatte ihr nur erklärt, sie habe sich von Roman getrennt und käme deswegen nach Hause. Viel mehr wusste auch ihre Großmutter Leandra nicht. Bevor sie die Gepäckhalle durch die Schiebetüren verließ, verharrte sie einen Moment, um sich zu sammeln. Selbst wenn sie in Tränen ausbräche, könnte sie es auf ihren Liebeskummer schieben. Naomi zwang sich zu einem Lächeln. Sie machte einen Schritt auf die Türen zu, die sich automatisch vor ihr öffneten und sie wieder in ihr altes Leben in der Lüneburger Heide entließen.
Naomi entdeckte ihre Mutter sofort. Luna riss vor Freude die Hände in die Luft und rannte auf sie zu, um sie fest in ihre Arme zu schließen. Der Druck auf die Verletzung raubte Naomi den Atem. Sie biss die Zähne zusammen. Behutsam schob sie ihre Mutter von sich, küsste sie auf die Wange und zwang sich zu einem Lächeln. »Ist Oma gar nicht mitgekommen?«
»Ach, wo denkst du hin?« Luna schüttelte den Kopf und nahm ihr den Rucksack ab. »Wir freuen uns doch so, dass du endlich wieder da bist.« Luna nickte in die Richtung des nächsten Gates. »Deine Oma wartet dort. Wir wollten dich auf keinen Fall verpassen!«
Leandra drängte sich durch die wartende Menschenmasse. Naomi entdeckte in ihren Augen, dass Leandra bei ihrem Anblick erschrak. Sie warf ihrer Großmutter einen flehenden Blick zu, den diese offenbar verstand. »Naomi, ach mein Schätzchen«, flüsterte Leandra, bevor sie sie umarmte und zärtlich an sich drückte. »Gut siehst du aus. Ein wenig müde vielleicht, aber das ist ja auch kein Wunder!«
Naomi war ihr dankbar für die Lüge und freute sich aufrichtig, ihre Mutter und ihre Großmutter wiederzusehen, selbst wenn sie keine Lust hatte, irgendetwas zu erzählen. Luna plapperte munter los und erzählte Neuigkeiten aus der Nachbarschaft, sprach vom Wetter, und dass sie die ersten reifen Erdbeeren aus ihrem Garten zu einem Kuchen verarbeitet habe.
Leandra zog den Koffer hinter sich her und Naomi bemerkte, wie sie ihr von der Seite einen verstohlenen Blick zuwarf. Naomi war bewusst, dass ihre Großmutter darauf brannte, mit ihr alleine zu sein, um zu erfahren, was vorgefallen war.
Während der Fahrt vom Hamburger Flughafen nach Hause starrte Naomi aus dem Seitenfenster und nahm nur zur Hälfte wahr, was ihre Mutter zum Besten gab. Ihr Kopf war wie leer gefegt, und es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie wusste einfach nicht, wie es weitergehen sollte. In fünf Tagen wäre Vollmond. Aber wohin könnte sie gehen? Gab es hier überhaupt einen passenden Platz, um sich zu verwandeln - andere Katzenmenschen, oder bliebe sie alleine und ohne einen Zufluchtsort?
Luna stellte den Wagen in der Einfahrt ab. Alles sah noch genauso aus, wie vor ein paar Monaten. Der gepflegte Garten, der hölzerne Zaun, das
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