Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
unerträglich. Sie würde sterben, und mit ihr, Romans Kind.
Deutlich vernahm sie ein Zerren, ein Knacken. War das Roman, der durch den Wald lief? Oder kamen die Geräusche vom Zerren an ihrem Fleisch, vom Brechen ihrer Knochen. Naomis Blick verschwamm.
Wie durch einen Nebel tauchte Roman neben ihr auf. Er hob etwas über seinen Kopf und ließ es auf die Erde herunterfahren. Es gab ein schmatzendes Geräusch. Sammys Biss ließ nach. Gab sie frei. Roman zog den Ast aus Sammys Körper, bevor er ihn nochmals in ihn hineinstieß.
»Stirb endlich!«, rief Roman. »Gottverdammte Bestie.«
Sammys Brustkorb hob und senkte sich. Schwach, immer schwächer, bis keine Atmung mehr zu erkennen war. Er war tot.
Roman starrte auf Sammy, bereit den Ast ein weiteres Mal aus dessen Körper zu ziehen und erneut zuzustoßen.
Während Roman über Sammy wachte, kroch Naomi auf Kais reglosen Körper zu. Er atmete noch. »Kai. Alles wird gut. Sammy ist tot.« Sie leckte ihm über das Gesicht. Aus seinem Hals und seinem Bauch quoll Blut. »Du kommst wieder in Ordnung«, flüsterte sie, obwohl sie wusste, dass es nicht die Wahrheit war. Tränen liefen aus ihren Augen. »Alles wird wieder gut.«
Kai öffnete die Augen. »Nein. Aber, das macht nichts. Ich bin froh, dass es vorbei ist.« Seine Atmung wurde schwächer.
Naomi schmiegte ihren Kopf an Kais Brust. Ihre Tränen mischten sich mit seinem Blut.
Kais Atem ging rasselnd. »Versprich mir, Roman zu verlassen.«
Naomi zögerte.
»Bitte, Naomi.«
Naomi hob ihren Kopf, sah in Kais flehende Augen.
»Naomi«, bettelte er.
Sie schloss ihre Augen. »Ich verspreche es.«
Kais Körper entspannte sich.
»Leb wohl, mein Freund«, dachte sie. Kai regte sich nicht mehr. Naomi war sich unsicher, ob er ihre letzten Worte noch vernommen hatte. Sie verharrte, den Kopf an Kais Körper gelehnt. Sie spürte, wie eine Hand über ihren Rücken strich.
«Komm, ich bring dich weg von hier. Zu Bertram. Dort bist du in Sicherheit.« Roman stand neben ihr. Nachdem sich Naomi nicht bewegte, ging er zur Ulme. Dort fand er Kleidung und Schlüssel. »Naomi?«
Sie hob den Kopf, leckte Kai zum Abschied über die Stirn. Zeit zu gehen. Naomi versuchte aufzustehen. Ein scharfer Stich ließ ihren Körper zusammenfahren.
Roman ging zu ihr und legte ihr behutsam Kais Jogginghose um die Brust, um die blutende Wunde abzudecken. Anschließend hob er sie hoch und trug sie von der Lichtung. Er stapfte durch den Wald. Durch Naomis Gewicht bewegte er sich langsam und schwerfällig. Naomi hörte sein Atmen. Laut und heftig. Zwei Mal blieb er stehen, um wieder zu Kräften zu kommen. Eine Stunde später fand er aus dem Wald und Kais Wagen am Wegesrand. Roman öffnete die Tür und legte Naomi auf die Rückbank.
Die Morgendämmerung brach an. Roman streichelte ihr sanft über den Kopf, über das Fell an der Seite, bevor er die Tür schloss. Naomi erhaschte seinen liebevollen Blick durch das Fenster. Roman startete den Wagen und fuhr los.
Naomi lag auf der Rückbank, sah Romans Augen im Rückspiegel. Heiße Tränen füllten ihre Augen. Das Versprechen an Kai lastete schwer auf ihr. Es schmerzte sie mehr, als ihre blutenden Wunden. Sie wollte Roman nicht verlieren. Wenn sie ihm den Kuss des Vergessens gäbe, würde dieser die Erinnerung an sie und ihre Liebe auslöschen. Roman wüsste weder, wer sie war, noch dass sie ein Kind von ihm erwartete. Er wüsste nicht, dass er bald Vater werden würde. Aber, er wäre in Sicherheit. Cassidy war tot. Kai war tot. Und auch, wenn Sammy nicht mehr hinter ihr her sein konnte, so bestand immer noch die Möglichkeit, dass jemand aus seinem Clan ihn rächen würde. Sie durfte Romans Leben nicht riskieren. Seinen Tod würde sie nicht überstehen. Daran würde sie zerbrechen. Ihr Entschluss stand fest. Sie musste gehen. Bald. Sehr bald! Es zerriss ihr fast das Herz.
Naomi schwor sich zurückzukommen, sobald sie stark genug war, um Roman und ihr Kind zu beschützen. Nach einem letzten Blick in den Rückspiegel, schloss sie die Augen. Warme Dunkelheit hüllte sie ein. Ihr letzter Gedanke galt Roman.
ENDE
TEIL 1 – DAS ERWACHEN
J. J. Bidell
Im Schatten des Mondlichts
Die Fährte
Roman
Für Andrea
Eins
Naomi kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder. Der Kloß in ihrem Hals schnürte ihr die Luft ab. Am liebsten hätte sie laut geschrien. Ihren ganzen Schmerz herausgebrüllt. Stattdessen unterdrückte sie den Impuls und starrte aus dem Fenster. Unter ihr
Weitere Kostenlose Bücher