Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
hinterließ eine Spur auf den Fliesen. Mit hängenden Schultern betrat sie ihr Schlafzimmer und zuckte zusammen. Leandra saß neben ihrem Koffer auf dem Bett; in der Hand hielt sie einen abgegriffenen Umschlag. »Ich dachte, du schläfst schon.«
»Als ob ich einfach zu Bett gehen könnte. Ich will wissen, was dort drüben passiert ist. Du bist nicht mehr dieselbe.« Leandra sah sie auffordernd an. »Also. Erzähl schon. Und behaupte nicht, du seist müde. Das kaufe ich dir nicht ab.«
Naomi trocknete sich ab und schlang sich das Handtuch um den Kopf. Sie hatte schon so oft nackt vor ihrer Großmutter gestanden, dass ihr das völlig normal vorkam. Leandra reichte ihr den Jogginganzug, und sie schlüpfte in die Hose. Bevor sie den Sweater überstreifen konnte, hörte sie Leandra die Luft einziehen.
»Was zum Henker ...« Leandra sprang auf und drehte Naomis Körper ins Licht. »Wie ist das geschehen?«, flüsterte sie.
»Nicht weiter schlimm.« Mit einer energischen Bewegung zerrte sie am Oberteil. Der Halsausschnitt war zu eng, um über den Turban, den sie um ihr Haar geschlungen hatte, zu passen. Sie fluchte, bevor sie sich das Handtuch vom Kopf riss und endlich in ihren Joggingsachen steckte.
Naomi drehte sich zum Fenster und sah hinaus. Warum hatte sie auch gedacht, ihrer Großmutter die Verletzung verheimlichen zu können? Die hässliche Risswunde verlief von ihrem linken Arm bis zur Schulter. Selbst nach der Abheilung würden Narben bleiben. »Oma, es ist spät, und es ist eine lange Geschichte. Lass uns ein andermal darüber reden, ja?«
»Nein.« Leandra stand auf und fasste sie an den Schultern.
Naomi schloss die Augen. Diesen Ton kannte sie von Leandra. Sie ließe nicht locker, bis sie über alles genau im Bilde wäre.
»Ich weiß genau, dass du sowieso nicht schlafen kannst. Luna ist zu Bett gegangen und wir reden jetzt darüber. Deine Mutter darf nichts davon wissen. Also?« Leandra drehte sie zu sich herum.
Naomi spürte, wie ihr erneut die Tränen in die Augen stiegen, und warf sich in Leandras Arme.
Leandra strich ihr das nasse Haar aus dem Gesicht. »Meine arme Kleine. Weine ruhig. Ich bin ja da. Ich bin immer für dich da.«
Nachdem sich Naomi beruhigt hatte, schnäuzte sie sich und ließ sich auf ihr Bett fallen. Ihre Großmutter klappte den Koffer zu und stellte ihn auf den Boden, um sich zu ihr setzen zu können. »Jetzt sag schon, was ist passiert? Was hast du mir bisher unterschlagen?«
Naomi lehnte sich mit dem Rücken an das Kopfende des Bettes, umfasste ihre Beine und zuckte mit den Schultern. Es waren nur drei Monate vergangen. Ihr kam es vor wie ein ganzes Leben. Alles war verändert; fremd und beängstigend. Niemals hatte sie sich hilfloser und verlorener gefühlt. Was hatte sie verschwiegen? Viel. Sehr viel. Naomi räusperte sich.
»Ich hatte dir doch am Telefon erzählt, dass es außer mir noch andere gibt.«
Leandra nickte.
»Was ich dir nicht gesagt habe: Es sind nicht alle friedlich. Es gibt unterschiedliche Clans, und einer davon ist böse. Abgrundtief schlecht. Die Mitglieder dieses feindlichen Clans wollen uns vernichten; aus reiner Boshaftigkeit. Sie töten, was wir lieben, nur um uns zu zerstören. Und sie verstellen sich gut.«
»Was willst du damit sagen?« Leandra riss die Augen auf. »Etwa Roman? Hat er dir was getan? Bist du deswegen zurückgekommen?«
Naomi schüttelte den Kopf. »Ich kam zurück, um Roman zu schützen. Sammy. Dieser miese Dreckskerl hat sich an mich herangeschlichen, nur um Roman und mich fertigzumachen.« Instinktiv legte sie sich die Hand schützend über ihre Verletzung. »Ihm habe ich das hier zu verdanken.«
»Sammy? Ich dachte, der ist ein netter Kerl und dein Freund. Zumindest klang das in deinen Erzählungen so. Was ist nur passiert?« Leandra sah sie aufmerksam an.
»Kai hat mir vieles beigebracht und mir einiges erklärt. Er sagte, Sammy sei ein Mörder, doch ich glaubte ihm nicht. Warum auch? Sammy war für mich ein Freund. Immer charmant, immer hilfsbereit. Und als Kai mir klarmachen wollte, dass ich mich irre, habe ich ihm nicht geglaubt. Bei meiner ersten Verwandlung im Wald war Sammy für mich da, bis er mich plötzlich in einer Höhle alleine ließ und Kai später auftauchte. Ich weiß bis heute nicht, warum Sammy mich einfach in der Höhle zurückließ. Kai meinte, um seine Clanfreunde zu holen. Doch das glaube ich nicht.« Hilflos zuckte Naomi mit den Schultern. »In einem hatte Kai aber recht. Sammy wollte mir schaden.
Weitere Kostenlose Bücher