Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Walter eine Tür knallen. »Alles okay bei dir? Bist du alleine?« Ein kurzes Brummen aus dem Lautsprecher war die Antwort. »Also, Leandra Jean Thomson war hier und hat Rominas Schlüssel abgeholt. Sie hat leider keine Ahnung, wozu der Schlüssel dient. Sie kam aber nicht alleine nach London. Eine junge Dame, ihre Enkelin, begleitete sie.«
»Ja, und?«
Geoffrey hörte an Sammys Stimme, wie dieser ungeduldig wurde. Er beobachtete seinen Vater, der nicht recht wusste, wie er Sammy die Neuigkeit am besten beibringen sollte.
»Du hast mir doch das Foto für unsere Datenbank geschickt. Das von dieser Naomi Roberts. Ich dachte damals schon, sie sähe Romina irgendwie ähnlich, aber mehr auch nicht.« Walter atmete schwer ein und aus. »Aber, diese Naomi ist offensichtlich Leandra Jean Thomsons Enkelin. Du hattest in Maine Rominas Urenkelin vor dir!«
Sammy zog laut die Luft ein, bevor ein wütender Schrei durch den Telefonlautsprecher drang, und Walter das Mobiltelefon von seinem Ohr weghielt. »Und diese Ähnlichkeit kam dir nicht merkwürdig vor? Da treffe ich aus purem Zufall eine Neue und schicke dir gleich ein Foto, damit ich weiß, zu welchem Clan sie gehört und so weiter, und was tust du? Nichts. Du blöder Volltrottel!«
»Hey, so redest du nicht mit mir, ist das klar?« Walters Stirn legte sich in Falten. Geoffrey entdeckte einen schuldbewussten Ausdruck auf dem Gesicht seines Vaters, bevor dieser die Augen niederschlug.
»Mein lieber Onkel Walter, könnte es sein, dass du langsam senil wirst und diese Arbeit nichts mehr für dich ist?« Sammys Sarkasmus ließ Walter zusammenzucken. »Ich hatte in Maine mehrere Wochen Zeit, um Rominas Clan ernsthaft zu schaden. Und ich mache mir einen Spaß daraus, weil ich denke, bei ihr handele es sich um ein harmloses, dummes Ding aus einem der anderen Clans. Dabei ...« Der schneidende Ton in seiner Stimme war unüberhörbar. »Anstatt sie nur für eine Weile zu betäuben, hätte ich Naomi ohne größeren Aufwand in der Höhle töten können! Ist dir das klar? Wozu haben wir denn diese gottverdammte Datenbank!«
Walter blieb stocksteif stehen und sah wie ein getadelter Junge auf seine polierten Schuhe. »Beruhige dich. Ich kümmere mich darum. Außerdem ist es gut, dass sie noch lebt. Sie wird uns zum Schließfach führen.«
Es klickte in der Leitung. Sammy hatte aufgelegt. Geoffrey half seinem Vater in den Ohrensessel, wo dieser in sich zusammensackte.
*
Die Nacht schien kein Ende zu nehmen. Sehnsüchtig lauschte Naomi den ruhigen Atemzügen ihrer Großmutter, die friedlich neben ihr lag und schlief. Die Rückenlage bekam ihr überhaupt nicht. Seit dem vergangenen Abend plagte sie ein beständiger Brechreiz. Vermutlich lag es an der Aufregung, und die lange Reise steckte ihr auch noch in den Knochen. Erschöpft drehte sie sich zur Seite. Die unverhohlene Neugierde der Anwälte ließ ihr keine Ruhe. Warum waren sie so sehr an dem Schlüssel interessiert? Naomi setzte sich auf. Ihr musste etwas entgangen sein. Sie kam einfach nicht darauf, was es sein könnte. Die kühlen Bodenfliesen unter ihren nackten Fußsohlen kurbelten ihren Kreislauf an.
Die Anwälte waren freundlich gewesen. Zu freundlich. Schon fast aufdringlich. Der Junior hatte versucht, mit ihr zu flirten, und sie war auf sein Spiel eingegangen. Selbstverständlich würde sie ihn nicht anrufen. Er wirkte übereifrig, aber eigentlich harmlos. Vom Senior ging eine ganz andere Aura aus. Wenn sie es genau bedachte, hatte das nervöse Kribbeln in ihrem Magen in seinem Büro eingesetzt. Ihre Nackenhaare stellten sich wieder auf; wie in der Kanzlei. Von Walter Thursfield drohte Gefahr. Das musste das Gefühl sein, das Leandra früher verspürt hatte. Das Gefühl drohenden Unheils.
Endlich kam sie darauf, was ihre Gänsehaut verursachte. Es waren Walter Thursfields blauen Augen. Sie wirkten wie Eiskristalle. Selbst als er gelächelt hatte, war die Kälte nicht aus ihnen gewichen. Noch vor dem Frühstück würde sie mit Leandra sprechen. In Emmas Haus fühlte sie sich nicht sicher. Besser, sie zog in eine Pension.
Mit vorsichtigen Bewegungen stand sie auf, um Leandra nicht aufzuwecken. Wenigstens sie sollte sich erholen. Reglos lehnte Naomi am Fensterbrett und starrte in die Dunkelheit hinaus. Wie es Roman wohl ging? Ob er sich auch so elend fühlte? Unbewusst schüttelte sie den Kopf. Warum sollte er? Mit dem Kuss des Vergessens war auch die kleinste Erinnerung an sie aus seinem Gedächtnis
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