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Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Bidell
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vermeiden, dass ich mit ihm schimpfe. Solche Situationen häuften sich.
    Auch bin ich manchmal traurig und nachdenklich, wenn ich ergebnislos von den Archiven nach Hause komme oder an euch denke. Diese Traurigkeit scheint er zu spüren, denn er kriecht dann auf meinen Schoß und lehnt sich an mich, ohne ein Wort zu sagen. So, als wolle er mich trösten.
    Er ist ein wirklich hübscher Bursche, und jetzt, wo er bald in die Schule kommt, wird er langsam etwas aufgeweckter. Zu Hause ist er immer noch sehr ruhig. Aber auf der Straße, wenn er mit anderen Kindern tobt, unterscheidet er sich kaum von ihnen. Iker ist ein tapferer Junge, er weint nicht, wenn er sich blutige Knie holt, oder sich mit Gleichaltrigen um Spielsachen prügelt, wobei er recht selten bei den Rangeleien verliert. Nur zu Hause, da sitzt er oft reglos da und blickt uns aus seinen großen, braunen Augen an.
    In letzter Zeit kommt es mir vor, als ahne er Dinge im Voraus. Häufig reise ich quer durch Europa, wenn ich in einem Brief Informationen erhalte, die mich bei meiner Suche nach weiteren Familienmitgliedern auf eine neue Fährte locken. Oft erhalte ich auch Antworten auf meine Anfragen in Archiven mit dem Hinweis, dass in ihren Unterlagen nichts über unsere Familie gefunden werden konnte, sodass ich mir die Reise sparen kann. Es ist also nicht so, dass Iker jeden Brief mit einer Reise in Verbindung bringen könnte.
    Trotzdem sieht er mich in letzter Zeit anders an. Er legt den Kopf schräg und beobachtet mich zum Beispiel dabei, wie ich die Wäsche wegräume. Aus dem nichts heraus bittet er mich, nicht zu gehen, obwohl ich kein Wort von einer Reise sagte und die Kleidung in den Kleiderschrank räumte.
    Nach und nach kam mir der Verdacht, dass er meine Gedanken lesen kann. Das ängstigt mich, weil meine Gedanken nicht immer freundlicher Natur sind. Vor allem bei der Hausarbeit denke ich viel über alte Zeiten nach. Über unsere Feinde, über die sinnlosen Tode, oder über den Trennungsschmerz, der mich manchmal niederwirft, weil ich nicht bei dir sein kann. All das macht mir schwer zu schaffen.
    Ich sprach darüber mit George und Alonso, doch beiden fiel nichts an Iker auf. George meinte nur, ich solle die Hausarbeit sein lassen, zumal er dafür Personal habe. Als ob mich das vom Nachdenken abhalten könnte! Dann, kurz bevor ich mich an diesen Brief setzte, fragte mich Iker, wer Leandra sei. Vor Schreck fiel mir die Kaffeetasse aus der Hand. Erst überlegte ich, ob ich lügen sollte, doch wie hätte ich dich verleugnen können? So erzählte ich ihm von seiner älteren Schwester. Ich bin überzeugt, deinen Namen niemals laut ausgesprochen zu haben, das hätte ich nicht gewagt. Also musste es der kleine Schatz erraten haben. Doch wie?
    Ich nahm ihn bei der Hand und wir gingen hinaus in den Park. Dort waren wir ungestört. Als ich ihn fragte, ob er wisse, woran ich gerade dächte, lachte er und meinte, ja, ein Eis würde er auch gerne essen. Aber seines lieber mit Sahne. Ich hatte nicht intensiv an dieses Eis gedacht, nicht so, wie wir bei Vollmond miteinander reden. Keiner von uns kann in Menschengestalt Gedankenlesen. Dies musste diese besondere Gabe sein, die der alte Mann erwähnt hatte.
    Iker erzählte mir, dass er nicht jeden hören könne. Nur George, Alonso und mich. Und noch drei andere Leute auf der Straße, die er beim Spielen im Park gesehen hatte. Die Fremden hätten ihm mit ihren Gedanken aber Angst eingejagt, darum sei er schnell nach Hause gelaufen.
    George und Alonso kamen erst am Abend nach Hause. Als ich ihnen davon erzählte, wollten sie der Sache auf den Grund gehen. So dachten wir uns ein Spiel aus, bei dem jeder ein Wort denken sollte. Iker konnte unsere Gedanken lesen. Offensichtlich funktioniert es bei normalen Menschen nicht. Wir haben es mehrfach mit dem Hauspersonal versucht.
    George und Alonso sind nun auf der Suche nach diesen drei Fremden, von denen Iker sagt, dass er sie verstehen kann. Mit Sicherheit verstörte es ihn, diese Stimmen in seinem Kopf zu hören. Allerdings bedeutet es nicht automatisch, dass sie dem feindlichen Clan angehören, nur weil Iker sich vor ihren Gedanken fürchtete. Trotzdem ist natürlich höchste Vorsicht geboten. Seitdem wir davon wissen, lassen wir Iker nicht mehr unbeaufsichtigt auf die Straße. Er ist noch zu jung, um die ganze Wahrheit zu erfahren. Aber bald wird er alt genug sein, diese Bürde zu tragen.
    In den vergangenen Jahren versuchte ich, mehr über unsere Familie herauszufinden.

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