Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
bringt ihn mir wieder. Ich habe nie daran geglaubt, dass er betrunken ins Hafenbecken gestürzt und dort ums Leben gekommen ist.«
Naomi überlegte. Wenn ihr Großvater ermordet worden war, konnte dann der Überfall auf ihren Vater noch ein Zufall sein?
»Und mein Vater?«, flüsterte sie.
Romina sah sie mitfühlend an. »Ob er wirklich nur zur falschen Zeit durch diese Gasse ging, oder ob der Clan darin verwickelt war? Ich weiß es nicht.«
Naomi schnürte es die Luft ab. Selbst wenn sie ihren Vater nie kennengelernt hatte, erschien ihr die Tatsache grausam, dass Neophars Clan ihr den Großvater und den Vater genommen hatte. Der Clan hatte sie der Möglichkeit beraubt, in einer normalen Familie aufzuwachsen. Einen Vater zu haben, der mit ihr spielte, sie in den Arm nahm, wenn sie sich die Knie blutig schlug und sie unterstützte, wann immer sie Beistand nötig hatte. »Romina. Warum tötet der Clan in erster Linie die Männer? Wenn ich mir die Tafel ansehe, haben in unserer Familie nur die Frauen überlebt. Warum?«
»Dorothea erklärte mir, es wäre für sie leichter gewesen, die Frauen zu schützen. Früher war es schwierig, eine Freundschaft zu einem Mann aufrechtzuerhalten, ohne dass es Gerede gab. Wir haben uns auch den Kopf darüber zerbrochen, um in Zukunft besser vorbereitet zu sein.« Romina holte eine Flasche Wasser aus einem Regal, schenkte ein und reichte erst Leandra, dann Naomi ein Glas, bevor sie selbst den Inhalt direkt aus der Flasche hinunterstürzte.
»Im Grunde wisst ihr es nicht«, schloss Naomi.
»Spielt das eine Rolle?«, fragte Leandra. »Diese Monster töten unsere Familie! Das muss aufhören.«
»Eines Tages wird es das.« Romina straffte die Schultern und zeigte auf eine weitere Ahnentafel. »Seht hier. Wir sind sicher, dass wir nicht alle Nachfahren von Neophars Clan aufgespürt haben. Viele von ihnen haben wir bei Kämpfen vernichtet, und die anderen betrachten wir als Schläfer, die uns in Frieden lassen. Wobei Iker etwas belauscht hat, was beängstigend ist.«
Naomi stellte ihr Wasserglas ab und trat neben Romina. Sie betrachtete den Stammbaum. Dort fand sie den Namen von Walter Thursfield. Sein Sohn war mit dem Vermerk Mensch versehen. In einer Seitenlinie stand der Name Nicholas. Naomi entdeckte, wer als Nicholas` Bruder vermerkt war. Hörbar zog sie die Luft ein. Ein Kreuz zeigte an, dass er nicht mehr am Leben war. Sie wich zurück und stieß gegen die Tischplatte.
»Dieses Datum ist falsch«, flüsterte sie.
Romina zog die Stirn in Falten. »Welches Datum?«
Aus zwei Metern Entfernung zeigte Naomi auf die Tafel. »Sammy.« Kopfschüttelnd stand sie da. »Roman hat ihn vor drei Monaten getötet.«
Ihre Urgroßmutter riss die Augen auf. »Unmöglich.« Hilfe suchend blickte sie zu Iker. »Er starb vor drei Tagen bei einem Autounfall. Ich war dabei.«
»Das kann nicht sein.« Naomi sah von Romina zu Leandra. »Oma, ich habe dir davon erzählt. Sammy ist seit drei Monaten tot. Er ist im Wald gestorben.«
Romina eilte zum Tisch. Mit flinken Händen suchte sie nach etwas in den herumliegenden Dokumenten, bis sie ein Bild aus einem Umschlag zog. »Ist das hier Sammy?«
Sie hielt ihr das Foto hin.
Naomi griff danach. Die Aufnahme zeigte Sammy von vorn in einem Restaurant. Seine stahlblauen Augen blitzten ihr entgegen. Sein rotes Haar leuchtete kupfern im Neonlicht. Niemals würde sie sein Gesicht vergessen. Naomi schaffte es nicht zu antworten und nickte nur zustimmend. Das war Sammy. Eindeutig.
»Und du bist sicher, dass er wirklich tot war und nicht nur verletzt?«, fragte Iker.
Naomi überlegte. Sie selbst war verletzt gewesen, schockiert über Kais Tod und durcheinander, weil Roman sie entdeckt hatte. Später war sie ohnmächtig zusammengebrochen. Hatte Roman überprüft, ob Sammy noch geatmet hatte? War er verletzt zurückgeblieben? Konnte das möglich sein?
»Er hat ihm einen kräftigen Ast in den Leib gestoßen. Zwei Mal sogar. Für mich sah er tot aus. Wie hätte er das auch überleben können?«
»Vielleicht fand ihn jemand aus seinem Clan. Möglich wäre es.« Romina strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Außer ...«
Iker riss die Augen auf. »Außer er verfügt über sieben Leben!«
Leandra sprang auf die Beine. »Du hast aber nicht ...«
»Spinnst du?«, unterbrach sie Naomi und stemmte die Hände in die Hüften. »Wie kommst du denn darauf? Er war für mich ein Freund und nichts weiter.«
Ihre Großmutter sah zu Boden. »Ich dachte ja nur.
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