Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
bestimmt die Sehenswürdigkeiten der Stadt ansehen und irgendwo würde er sie entdecken.
Eine Stunde später verließ er den Flughafen, setzte sich in ein Taxi und bat den Fahrer, ihn zu einer günstigen Unterkunft zu bringen. In der Pension warf er seine Reisetasche aufs Bett, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und begann mit seiner Suche nach Naomi. Er startete am südlichen Ende der La Rambla. Aufmerksam betrachtete er jedes Mädchen, das auch nur annähernd eine Ähnlichkeit mit Naomi aufwies. Gemächlich schlenderte er in nördlicher Richtung die Fußgängerzone entlang. Ausgerechnet in Spanien suchte er nach einer Frau mit schwarzem, langem Haar. Doch irgendwann fände er sie, und dann ließe er sie nicht wieder gehen.
*
Naomi hakte sich bei ihrer Großmutter unter. Gemeinsam folgten sie Romina bis vor einen hölzernen Durchgang, der hinter einer Treppe von einem Bücherregal versteckt war. Iker musste in der Zwischenzeit das Regal beiseitegeschoben haben, um den Eingang freizugeben.
»Wir müssen sehr vorsichtig sein. Dort befinden sich alle Unterlagen, die wir zusammentragen konnten. Das Meiste ist mittlerweile zugeordnet, bei anderen Dokumenten fehlen uns noch die Zusammenhänge.« Romina duckte sich unter dem Holzbalken hindurch. »Achtet auf eure Schritte. Wir sind vor vierzig Jahren zufällig darauf gestoßen, als die Täfelung eines Tages herunterfiel. Und zieht den Kopf ein. Die Decke ist sehr niedrig und die Stufen sind schmal und hoch. Das Versteck muss schon seit vielen Jahrzehnten existieren.«
Naomi folgte Romina durch die Tür.
»Ich geh voran. Solltest du stolpern, landest du auf mir.« Sie zwinkerte Leandra zu.
»Sehr witzig. Achte du lieber auf deinen Dickkopf, damit du ihn dir nicht stößt.« Leandra grinste. »So eine alte Greisin, wie ich, kann dich nämlich nicht auffangen.«
Naomi tastete sich nach vorn. Die Treppenstufen besaßen eine Tiefe von höchstens sieben Zentimetern. Vorsichtig setzte Naomi ihren Fuß seitlich auf. Nur mit der Ferse aufzutreten, schien ihr zu riskant. Jeder Schritt nach unten steigerte das Kribbeln in ihrem Magen.
Am Ende der Treppe führte ein enger Gang zu einem einzigen Raum, in dem Licht brannte. Naomi blieb mitten im Türrahmen stehen. »Wow. Das sieht ja wie eine richtige Kommandozentrale aus!«
Das Zimmer maß sechzig Quadratmeter. An den Wänden hingen Pläne und Skizzen in unterschiedlichen Farben. Vier Computer standen in der Zimmermitte an einer Seite eines quadratischen Tischs, an dem fünfundzwanzig Personen Platz gefunden hätten. Die Tischplatte quoll über mit Dokumenten und Plakatrollen.
Leandra drückte sich an Naomi vorbei und schlug sich mit der Hand auf den geöffneten Mund. »Wie habt ihr nur diesen Tisch hier hereinbekommen?«
Naomi lachte.
Iker und Romina sahen sich verwundert an und begannen ebenfalls zu schmunzeln.
»Mehr fällt dir dazu nicht ein?«, fragte Naomi.
Iker schaltete die Wandlampen an. »Womit wollt ihr beginnen?«
»Am besten mit der Ahnentafel«, antwortete Romina.
Leandra entdeckte einen Drehsessel, zog ihn heraus und setzte sich. Naomi folgte Romina zu einer Wand, an der eine Skizze befestigt war. Darauf notiert standen Namen und Zahlen. Auch ihren eigenen las sie in einem Kästchen, welches in der untersten Reihe eingezeichnet war.
»Hast du schon einmal einen Stammbaum gesehen?«, wollte Romina wissen.
»Nein.« Naomi entdeckte einen vertrauten Namen. »Ihr wisst von ihm?«
»Was denkst du, wer dir Kai geschickt hat?« Romina strich ihr über die Schulter. »Wenn ich allerdings geahnt hätte, dass sich einer unserer Feinde dort aufhalten könnte, wäre ich selbst gekommen. Kai sollte beweisen, dass er auf dich achten kann und dieses Mal keinen Fehler begeht. Das Ergebnis kennst du. Ich verstehe bis heute nicht, warum er sich und dich in Gefahr gebracht hat. Das hätte ich niemals zugelassen!«
»Du wusstest, wo ich war?«
Iker lachte auf. »Natürlich.«
»Und woher?«, fasste Naomi nach.
»Ihr haltet nicht viel von Mülltrennung. Der Umschlag der Universität lag in eurer Tonne.«
Leandra schnaubte. »Ihr habt unseren Müll durchsucht?«
»Irgendwie musste ich mir die Informationen ja besorgen.« Romina ging auf ihre Tochter zu. Sie setzte sich neben sie auf die Tischplatte. »Sicherheitshalber rief ich aber bei der University of Maine an, bevor ich Kai den Auftrag gab, dort hinzureisen.
Der Gedanke an Kai versetzte Naomi einen Stich. »Er war der Einzige, der sich um mich
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