Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
»Wenn du auf Roman anspielst, dann muss ich dich enttäuschen.«
»Du bist eigensinnig.« Dorothea schnäuzte sich erneut. »Das liegt wohl in der Familie. Ich wusste, du würdest so reagieren.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Die Situation ist heute anders, als damals bei mir. Roman befindet sich bereits im Visier unserer Feinde. Das eigentliche Ziel bist aber du. Wir sind zu viert, und darin liegt unser Vorteil. Wir werden den Clan vernichten, damit ihr in Frieden leben könnt. Keiner weiß, wo wir uns aufhalten. Doch wir wissen den Aufenthaltsort von Pilar und Roman. Zumindest mehr oder weniger. Und mit Pilar werden wir fertig. Auf die eine oder andere Weise.«
Iker rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich soll mit? In den Wald?«
Dorothea nickte. »Falls Pilar auftaucht, brauchen wir deine Fähigkeiten. Und mein Gefühl sagt mir, sie wird kommen.«
»Falls ich Roman nicht vorher finde«, wandte Naomi ein.
Romina mischte sich ein. »Naomi, Barcelona ist groß, und es bleiben nur noch zwei Tage bis zum nächsten Vollmond. Er wäre ein großer Zufall, wenn du ihn tatsächlich in dieser kurzen Zeit finden würdest.«
»Dann werde ich besser gleich damit anfangen. Denn ich habe absolut keine Lust auf diese Pilar zu treffen«, knurrte Naomi und erhob sich. Bevor sie durch die Wohnzimmertür schritt, blieb sie stehen und drehte sich nochmals um. »Ich nehme nicht an, dass mich jemand begleiten will.«
»Naomi. Du hast kein Foto, und wir wissen nicht, wie Roman aussieht. Es bringt nichts. Warte einfach diese zwei Tage ab, bis wir uns auf der Lichtung treffen.« Romina sah sie eindringlich an.
»Den Teufel werde ich tun.« Sie wandte sich ab. Auf dem Weg zur Haustür rief sie noch: »Oma. Warte nicht auf mich. Es wird mit Sicherheit spät.
Nach zehn Stunden gab Naomi auf. Sie kannte jeden Winkel der Fußgängerzone und der kleinen Gassen, die in die Viertel El Raval, Ciutat Vella, Barrí Gòtic und La Ribera führten. Die Touristenkarte kannte sie auswendig. Der einzige Teil der Innenstadt, den sie noch nicht mehrfach abgegangen war, lag nördlich der Plaza Catalunya. Im Anschluss folgten nur noch die großen Hauptverkehrsadern, wo es sowieso hoffnungslos wäre, nach ihm zu suchen. Ihre Füße schmerzten, ihr Mund brannte vor Durst und sie fühlte sich erschöpft.
Bevor sie in das Motel zurückkehren wollte, ging sie einen Supermarkt und kaufte sich zwei Colas, zwei Wasser und drei Stücke eines Gebäcks, das aussah, als sei es eine Paprikapizza. Auf dem Schild stand coca de trampó.
Auch wenn sie enttäuscht war, dass sich nicht wenigstens ihre Großmutter dazu bereit erklärt hatte, sie zu begleiten, ging sie nochmals zurück, um auch für sie etwas zu essen zu besorgen. Leandra war zwar nicht mehr gut zu Fuß, doch hätte ihr etwas Gesellschaft Mut gemacht, und wenn es nur für eine Stunde gewesen wäre.
Immerhin hatte sich Karsten bereit erklärt, gemeinsam mit Alice durch Barcelona zu streifen, um ebenfalls nach Roman Ausschau zu halten. Karsten hatte sich das letzte Mal vor zwei Stunden bei ihr gemeldet. Nichts. Außer, dass Alice mit einer angehenden Migräne kämpfte und er sie nach Hause bringen wollte, gab es auch von Karsten nichts Neues. Er wollte nach der Vorlesung am kommenden Vormittag nochmals nach Roman suchen.
Naomi betrat die Lobby und ging mit einem müden Nicken am Rezeptionisten vorbei. Ohne zu klopfen, öffnete sie die Zimmertür, und Leandra sprang vom Bett auf.
»Und?«, fragte sie.
»Nichts.« Naomi legte die Einkäufe auf dem Nachttisch ab und zog ihre Jeansjacke aus. »Bist du noch lange geblieben?«
Leandra nickte. »Bis nach dem Abendessen. Hier wird ja erst gegen einundzwanzig Uhr gegessen. Die Zeit verging so schnell. Meine Mutter und ich hatten endlich die Möglichkeit ausführlich miteinander über alles zu sprechen. Iker hat mit Dorothea im Nebenzimmer über die kommende Vollmondnacht gesprochen. Ich glaube, er fürchtet sich ein bisschen, nach so langer Zeit wieder in den Wald zu gehen. Dorothea ist noch nicht ganz gesund und hat sich noch vor dem Abendessen wieder hingelegt.«
Naomi bekam ein schlechtes Gewissen. Nicht eine Sekunde hatte sie daran gedacht, dass ihre Großmutter sich nach einem Gespräch mit ihrer Mutter sehnte. Dass es für sie wichtig war, alte Geschichten aufzuwärmen und sich gegenseitig etwas aus ihrem Leben zu erzählen. Für sie hatte es nur Roman gegeben. »Was hältst du eigentlich von Dorothea? Sie ist ein bisschen merkwürdig, oder
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