Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Brief da gelassen. Irgendwie tut mir dieser merkwürdige Kerl leid. Er wusste nicht einmal mehr, wie du aussiehst. Als ich ihm ein Foto von dir gezeigt habe, brachte ihn das völlig aus der Fassung. Würdest du ab und zu ans Telefon gehen, dann hätte ich dich fragen können, was ich machen soll, aber so?«
»Hast du seine Telefonnummer?« Naomis Herz pochte laut in ihren Ohren. Es war niemand vom Clan. Ihre Mutter befand sich nicht in Gefahr. Roman suchte nach ihr. Aber warum? Sie musste einen Fehler begangen haben.
»Er hat noch kein Telefon. Sein altes hat er in den Staaten gelassen. Aber er hat die Nummer von hier. Wenn er sich nochmals meldet, soll ich ihm dann deine Telefonnummer geben?«
»Ja, Mama, bitte.« Naomis Hände zitterten. Sie schaffte es nicht, jetzt über ihren Aufenthalt in Barcelona zu sprechen. Mit einem flehenden Blick zu ihrer Großmutter sprach sie weiter. »Mama. Oma will mit dir reden. Machs gut, ja? Und sag Bescheid, wenn du von Roman hörst.« Sie drückte Leandra das Telefon in die Hand.
Nachdenklich sah sie in den nachtschwarzen Hinterhof hinaus. Roman hatte sie gefunden. Eigentlich hätte er gar nicht nach ihr suchen dürfen. Was war nur schiefgelaufen? Einerseits fühlte sie sich erleichtert, dass niemand von Neophars Clan bei ihrer Mutter aufgekreuzt war, anderseits machte sie sich nun Sorgen um Roman. Er wusste von ihr und suchte sie. Nicht, dass er in Stillwater wirklich sicher gewesen wäre, aber wenn er ihr nachspürte, brächte er sich in weit größere Gefahr. Warum hatte der Kuss nicht funktioniert? Naomi fand dafür keine Erklärung.
*
Roman ging ein letztes Mal die La Rambla entlang. Seit zwei Tagen suchte er schon erfolglos nach Naomi. Die komplette Altstadt könnte er im Schlaf abgehen. Jede Gasse, jede Straße und in der Fußgängerzone kannte er jeden Laden, jeden Stand, jeden Straßenkünstler. Es waren einfach zu viele Menschen unterwegs. Wie sollte er Naomi da finden?
Er wusste, Pilar würde sich um ihn sorgen, weil er sich nicht bei ihr meldete. Wenn er ein spanisches Handy besäße, wäre vieles leichter. Daran hätte er früher denken sollen. Doch so konnte er nicht einfach anrufen. Auf ihrem Display hätte Pilar genau gesehen, wo er sich aufhielte. Ob vor zwei Tagen in Deutschland oder jetzt in Barcelona. Er wäre in Erklärungsnot gekommen.
Diese Nacht wollte er noch in seinem angemieteten Zimmer verbringen, dann war es Zeit, reinen Tisch zu machen. Pilar verdiente nicht, dass er sie belog. Und er wollte sich auch nicht mehr vor ihr verstecken müssen. Sobald er alles geklärt hätte, würde er sich besser fühlen.
Seine Füße schmerzten, obwohl er Turnschuhe trug. Die letzten Tage war er stundenlang ohne Unterbrechung durch die Straßen gewandert. Für heute hatte er genug. Auch wenn es noch früh am Abend war. Er wollte sich nur noch den Straßenschmutz abwaschen und sich ausruhen. Nachdem er Naomi bisher nicht gefunden hatte, warum sollte er ausgerechnet heute auf sie stoßen? Besser er legte sich hin, um morgen das Gespräch mit Pilar ausgeruht hinter sich bringen zu können. Vermutlich würde ihn Pilar danach auf die Straße setzen. Er an ihrer Stelle würde das tun.
Er bog in die Gasse ein, die ihn ins La Ribera Viertel brachte, betrat das kleine Hotel und schlurfte die Stufen hoch in den zweiten Stock. Sein Magen knurrte, doch er fühlte sich erschöpft und beschloss, seinen Hunger zu verdrängen. Nach einer heißen Dusche streckte er sich auf dem Bett aus, betrachtete das Foto, das ihm Naomis Mutter mitgegeben hatte, und schlief mit der Fotografie in der Hand ein.
Neunzehn
Roman kam sich feige vor, als er vor Pilars Apartment auf und ab ging. Mitten in der Nacht war er aufgewacht und nicht mehr eingeschlafen, weil er vergeblich versuchte, sich die passenden Worte zurechtzulegen. Mit Sicherheit fielen sie ihm auch nicht in den kommenden fünf Minuten ein. Er straffte die Schultern und drückte auf den Klingelknopf.
Über ihm öffnete sich ein Fenster. »Du? Warum hast du nicht angerufen? Ich hätte dich doch vom Flughafen abgeholt!«
Pilar verschwand aus seinem Blickfeld. Wenige Sekunden später hörte er den Türöffner summen. Er stemmte sich gegen die schwere Holztür und ging die Stufen nach oben.
»Eigentlich sollte ich stinksauer sein!« Pilar stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten in der Wohnungstür. »Aber ich bin einfach nur froh, dich wiederzuhaben.« Sie beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen.
Roman ließ es
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