Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Die Sicht verschlechterte sich zusehends. Naomi beobachtete, wie die Nebelfetzen über die Windschutzscheibe fegten. Ihre Gedanken schweiften ab. In den letzten Jahren hatte sie viele Jungs getroffen, aber nie hatte sie etwas anderes als Freundschaft für sie empfunden. Was war an Roman anders? Warum löste er in ihrem Körper Gefühle aus, die sie nicht einordnen konnte? Ein fremdes Kribbeln im Magen, als hätte sie einen ganzen Bienenschwarm verschluckt, das Herzklopfen und die beinahe greifbare Unsicherheit, sie könne etwas Falsches sagen, etwas Verkehrtes tun. Naomi begriff. Sie war zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt.
Vorsichtig sah sie zu Roman, der gelassen durch die Nacht fuhr. Fühlte er ähnlich? Oder betrachtete er sie nur als die neue Austauschstudentin, der man ein bisschen die Gegend zeigen musste? Eine diffuse Angst machte sich breit. Langsam begriff sie, wie sich ihre Verehrer gefühlt haben mussten, wenn sie ihnen erklärte, mehr als Freundschaft empfände sie nicht. Wenn Roman diesen Satz ausspräche, würde sie sterben. Ganz sicher. Das würde sie nicht überleben. Naomi beschloss, sich ihre Verliebtheit nicht anmerken zu lassen. Sie kannten sich überhaupt nicht. Mit Sicherheit war es nur eine nette Geste, ihr die Gegend zu zeigen. In ihrem Kopf rasten die Gedanken durcheinander. Zu gleichgültig durfte sie auch nicht sein. Das würde ihn abschrecken.
»Sehr müde? Du bist so schweigsam.«
Abrupt stand ihr Gedankenkarussell still. »Du sagst doch auch nichts. Ich wollte dich nicht vom Fahren ablenken. Es würde mir Leid tun, wenn du bei dieser miesen Sicht ein Tier anfährst, nur weil ich dich ablenke.«
Roman lachte. »Keine Bange. Ich bin durchaus in der Lage, Auto zu fahren und zuzuhören.«
»Ach?« Naomi schmunzelte. »Und ich dachte, Männer können keine zwei Dinge gleichzeitig tun.«
»Du solltest nicht alles glauben, was du liest. Wir können durchaus.« Er strich sich eine widerspenstige Haarsträhne zurück, die sofort wieder an ihre gewohnte Stelle fiel. »Wir wollen nur nicht immer.«
Naomi bemerkte sein amüsiertes Lächeln. »So ist das also. Das werde ich mir merken.«
Sie bogen auf das Unigelände ein. Naomi hätte noch Stunden durch die Nacht fahren können, nur, um noch neben Roman sitzen bleiben zu können. Er fuhr in Richtung der Wohngebäude. Der Ausflug war leider vorbei.
»In welchem der Blocks wohnst du?«
Sie erklärte ihm den Weg. Roman stoppte den Wagen. Wenn er jetzt einfach sitzen bleibt und wartet, bis ich aussteige, bin ich ihm gleichgültig, dachte sie. In diesem Moment drehte er den Schlüssel im Zündschloss und stellte den Motor ab. Ihr Herz klopfte wie tausend Hämmer in ihrer Brust, als Roman wie selbstverständlich ausstieg, um den Wagen schlenderte und ihr die Tür öffnete. »Hier wären wir, Madame. Danke fürs Mitfahren. Da machen sogar Botengänge Spaß.«
Naomi stieg aus und blieb unschlüssig neben der Wagentür stehen. »Ich bin gerne mitgefahren. Solltest du also wieder einen Copiloten benötigen ... du weißt jetzt, wo du mich findest«, wagte sie einen Vorstoß und entfernte sich einen Schritt vom Wagen; und von Roman.
Roman schloss die Tür. »Worauf du dich verlassen kannst!«
Für einen Moment schwiegen beide. Naomi konnte den Abschied nicht hinauszögern. Es wäre nur peinlich geworden, länger stehen zu bleiben. »Komm gut nach Hause,« verabschiedete sie sich.
Roman ging auf Naomi zu. »Danke für den schönen Abend.« Er zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Naomi stand noch an der gleichen Stelle, als Roman wieder in den Wagen stieg. Sie hob noch kurz die Hand, winkte ihm zum Abschied, bevor sie zur Eingangstür ging. Ihre innere Stimme mahnte sie, sich nicht umzudrehen. Wenn sie sich umdrehte und er bereits wegführe, wäre sie zutiefst enttäuscht. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, sperrte auf und drehte sich um. Sie musste einfach wissen, ob Roman ihr nachsah. Romans Wagen stand noch am selben Ort. Durch die Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht sehen. Sie zwang sich zu einem Lächeln in seine Richtung, bevor sie durch die Tür ins Innere schlüpfte. Wenigstens war er noch nicht fort gewesen.
*
Roman blicke Naomi nach. Dreh dich bitte dieses Mal um, nur dieses eine Mal, flehte Roman. Er beobachtete, wie sie den Schlüssel ins Schloss steckte und die Tür öffnete. Enttäuschung machte sich breit. Plötzlich drehte sie sich um und schenkte ihm ihr bezauberndes Lächeln. Er lächelte
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