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Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Bidell
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unwillkürlich zurück. Dieses Mal hatte sie sich nach ihm umgedreht. Nicht wie am Morgen, wo er ihr nachgesehen und auf einen weiteren Blick von ihr gehofft hatte. Trotz der anfänglichen Enttäuschung war es ein unglaublicher Tag geworden. Auch wenn er sich gewünscht hatte, Naomi nach dem Zusammenstoß auf der Treppe bald wiederzusehen, war es ein verrückter Zufall, ihr am selben Abend gleich noch zwei weitere Male zu begegnen. Ihr Temperament und diese funkelnden grünen Augen hatten ihn sofort gefesselt. Selbst als sie fluchend auf der Treppe lag, hatte sie nicht hilflos gewirkt, sondern überaus selbstsicher. Dieses Mädchen war anders, als die, mit denen er bisher ausgegangen war. Sie war stark, selbstbewusst und ihm irgendwie unnahbar vorgekommen, wie sie mit hocherhobenem Haupt über den Platz marschierte, ohne sich nochmals umzudrehen. Jetzt wusste er, sie war weder unnahbar, noch so stark und selbstbewusst, wie sie sich gab. Das hatte er daran erkannt, wie sie verloren auf den See geblickt hatte. Diesen sehnsüchtigen Gesichtsausdruck würde er niemals vergessen.
    Gerne hätte er sie zum Abschied geküsst, aber er war Dozent an der Uni, die sie besuchte. Selbst wenn Naomi nicht in seine Vorlesung ging, würde es Gerede geben. Ratlos starrte Roman aus dem Fenster. In dem Fahrzeug auf der anderen Straßenseite saß jemand im Dunkeln. Roman hatte den Wagen vorher schon entdeckt, aber nicht weiter beachtet. Vielleicht ein Student, der vergeblich auf seine Verabredung wartete, dachte er. Roman startete seinen Pick-up, legte den Gang ein und fuhr los. Der Fahrer kramte im Handschuhfach, als er an dem geparkten Wagen vorbeifuhr, sodass er sein Gesicht nicht sehen konnte. Im nächsten Moment hatte er den Fahrer vergessen und dachte wieder über Naomi nach. Er musste sie besser kennen lernen, bevor er eine Entscheidung treffen konnte. Es hatte ihn Überwindung gekostet, Naomi nur auf die Wange zu küssen. Sie war eine Studentin, und er durfte sie keinesfalls bedrängen. Wenn es auch nur die leisesten Gerüchte gäbe, er wäre bei einer Studentin zudringlich geworden, würde er sich einen neuen Job suchen müssen. Ein weiterer Gedanke kam ihm in den Sinn. Naomi war Austauschstudentin und würde nach einem halben Jahr wieder gehen. Was für eine Zukunft hätte eine Beziehung mit ihr? Wenn er ehrlich zu sich selbst war; keine. Er musste sich Naomi aus dem Kopf schlagen.
     
    *
     
    Naomi stapfte die Treppe zu ihrem Apartment hoch. Ein Kuss auf die Wange! Einen Wangenkuss gibt man seiner Mutter, der Schwester oder seiner Oma. Wenigstens war er nicht einfach weggefahren. Sie schleuderte die Schuhe von den Füßen, holte sich einen Schokopudding aus dem Kühlschrank und setzte sich damit bewaffnet auf die Fensterbank. Mechanisch stopfte sie sich Löffel für Löffel in den Mund. Das Kribbeln im Bauch war genauso verschwunden, wie das Hochgefühl. Es war Enttäuschung gewichen. Am liebsten hätte sie Alice angerufen. Alice war die einzige Freundin, die sie bisher hatte. Ein Blick auf die Uhr mahnte sie, den Anruf besser zu unterlassen und bis zum nächsten Morgen zu warten. Es war elf Uhr. Nicht eben die Zeit, eine neue Freundin aus dem Schlaf zu reißen. Sie stand auf, schaltete den Fernseher an und holte sich einen weiteren Schokopudding.

Acht
     
    Naomi fand die Nacht über keinen Schlaf. Letztlich hielt sie es in ihrem Studio nicht mehr aus. Sie brauchte dringend frische Luft, um den Kopf frei zu bekommen. Roman ging ihr nicht aus dem Sinn. Der Abend hätte so schön sein können, wenn der Abschied nicht so kühl ausgefallen wäre. Wie sie es auch drehte und wendete, sie fand keine befriedigende Erklärung. Vielleicht waren die Amerikaner nicht so offen, wie die Europäer. Vielleicht hatte Roman nicht zudringlich oder stürmisch wirken wollen. Vielleicht hatte er aber einfach eine Freundin und war nur nett gewesen. Dann hätte er das mit einem Wort erwähnt, beruhigte sie sich. Er hatte mit ihr geflirtet. Dessen war sie sich sicher. Hätte er das trotz einer Freundin getan? Möglich. Was wusste sie schon von ihm?
    Naomi beschleunigte das Tempo und lief am Flussufer entlang. Sie überlegte kurz, ob sie ein Stück durch den Wald laufen sollte, entschied sich wegen des Nebels dagegen. Die Sonne brach durch die Wolken. Trotzdem würde es noch Stunden dauern, bis sich die dichten Nebelschwaden auflösten. Sie war in einen leichten Dauerlauf gefallen, den sie nach zehn Minuten abbrechen musste. Ihr Bein antwortete auf die

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