Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Schultern und nahm einen Schluck von seinem Kakao. »Ein Schuss Cognac würde nicht schaden«, grinste er. »Ist dir kalt?«
Naomi trank ebenfalls einen Schluck. »Nein, mit der Decke und dem Kakao ist es gemütlich hier draußen.«
»Weißt du, was mich interessiert?« Roman setzte sich neben sie auf die Holzbank. »Was hat dich ausgerechnet hierher verschlagen? Das Sportangebot allein kann es nicht sein. So toll ist es auch wieder nicht.«
Naomi zog sich die Decke enger um die Schultern. »Es war die einzige Uni, die mir für dieses Semester zugesagt hat.« Sie drehte die Tasse in ihrer Hand und lugte neugierig über den Rand hinweg. »Und du? Bist du hier aufgewachsen?«
Roman erwiderte ihren Blick. »Nein. Ich bin Naturwissenschaftler auf Jobsuche. Seit einem halben Jahr gebe ich Vorlesungen in Biologie. Nach meinem Master in Zoologie blieben mir nicht viele Optionen. Entweder in die Forschung oder in die Pharmazie. Beides wollte ich nicht. Forschungsgelder werden kaum bewilligt, aber hier habe ich wenigstens tiefe Wälder, ein kleines Labor mit bester Ausstattung und kann gleichzeitig unterrichten und forschen.«
»Welche Forschungen betreibst du?«, fasste Naomi nach. »Reißt du armen Insekten die Beine aus? Oder sezierst Frösche und überfahrene Bären?«
»Das mache ich nur in meiner Freizeit«, frotzelte Roman zurück. »Hauptsächlich befasse ich mich mit Pflanzen. Die Wirkung gewisser Pflanzen. Aber, wenn mir ein Insekt unterkommt, das ich nicht kenne, landet auch das unter dem Mikroskop, bis ich weiß, um welche Art es sich handelt.«
»Pflanzen, also? Wie Cannabis wirkt, weiß sogar ich«, murmelte sie leise und gluckste.
»Das wissen die Meisten. Viele rauchen jedes Kraut, das ihnen in die Finger kommt.«
»Erfahrungswerte?« Naomi zog die Beine an ihren Körper und wickelte die Decke darum. »Aus Forscherdrang, du weißt schon.«
»Am Anfang schon. Einfach aus Neugierde. Als aber mein Freund beinahe draufgegangen wäre, habe ich die Finger davon gelassen.« Roman pustete in die Hände. »Wir sollten los. Es ist zwischenzeitlich eiskalt hier.«
Naomi nickte. »Nachdem du mir erzählt hast, was damals passiert ist.«
Roman stand auf. Offensichtlich fiel ihm die Antwort schwer.
»Wenn du nicht darüber reden willst ...« Naomi wollte ihn zu nichts drängen. Sein Freund war beinahe gestorben. Sie wollte keine alten Wunden aufreißen.
»Er rollte sich die Blätter vom Giftsumach zu einem Joint, zündete ihn an, und der inhalierte Rauch ließ seine Lungen kollabieren. Er hat es nur überlebt, weil er die Blätter mit Tabak gemischt hatte.«
Naomi folgte ihm ins Lokal, wo es angenehm warm war. »Warst du damals bei ihm?«
Roman nickte nur. »Sollen wir los oder magst du noch eine Tasse?«
Naomi sah auf die Uhr. Es war schon nach zehn, und sie war müde. Außerdem schien Roman lieber fahren zu wollen. »Es ist spät geworden«, erklärte sie.
Roman nahm ihr Decke und Tasse ab.
Sein Großonkel Bertram kam aus dem Hinterzimmer. »Ihr wollt schon los? Jetzt hatte ich gar keine Möglichkeit zu fragen, was mit deinem Gesicht passiert ist.«
Naomi verdrehte die Augen. Bisher hatte sie es geschafft, nicht über ihr Aussehen nachzudenken und die Zeit mit Roman einfach zu genießen. »Ein Sportunfall. Bald bin ich aber die Nasenklammer wenigstens los. Wenn die Blutergüsse verschwunden sind, bin ich wieder wie neu!«
»Dann werde ich dich das nächste Mal kaum wiedererkennen. Du bringst sie doch wieder mit, oder?« Bertram knuffte Roman mit einem Augenzwinkern in die Seite.
»Sobald ich die Zeit finde, kommen wir tagsüber vorbei. Mit etwas Glück bringe ich dir den reparierten Fernseher mit.«
In Naomis Magen kribbelte es. Sie fühlte sich leicht beschwipst, genauso, als hätte sie den heißen Kakao tatsächlich mit einem kräftigen Schuss Cognac getrunken. Roman wollte sie wiedersehen. Sie spürte seine Hand auf ihrem Rücken und unterdrückte einen wohligen Seufzer.
»Bist du soweit?«
Naomi nickte. Sie verließen das Restaurant. Naomi warf noch einen letzten Blick auf den ruhig daliegenden See. Einzelne Nebelschwaden zogen gemächlich über ihn hinweg und verwischten die Sicht auf das gegenüberliegende Ufer.
Roman bemerkte ihre Faszination und sah lächelnd zu ihr hinab. »So geht es mir jedes Mal, wenn ich hierher komme.«
Sie verharrte noch einen Augenblick, bevor sie sich abwandte. »Jetzt bin ich wirklich soweit.«
Die Nebelschwaden verdichteten sich. Roman drosselte das Tempo.
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