Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
schlug automatisch den richtigen Weg ein. Selbst wenn Kai nicht bei ihr wäre, würde sie ihn finden. Dessen war sie sich sicher. Die Lichtung zog sie magisch an. So, als sei sie mit einem unsichtbaren Band mit der alten Ulme verbunden. Hitze durchströmte ihren Körper. Um sich etwas Kühlung zu verschaffen, öffnete sie ihre Jacke, um sie letztlich komplett auszuziehen. Die Hitzewallungen ebbten ab. Sie fröstelte. Kaum zog sie die Jacke wieder über, schwitzte sie bei der nächsten Hitzewelle. Sie fühlte sich, als hätte sie fiebrigen Schüttelfrost. Naomi betrat die Lichtung. Eine friedliche Ruhe überkam sie. Die Temperaturschwankungen ließen nach. Nur eine wohlige Wärme blieb. Sie setzte sich neben Kai unter die Ulme. Mit der rechten Hand strich sie über eine dicke Wurzel. »Was hat es mit diesem Ort auf sich? Diese Lichtung hat mich magisch angezogen. Sie hat etwas Mystisches.«
Kai lehnte sich an den Stamm. »Ich weiß. Ich habe dich hier beobachtet.«
»Dann warst du das? Ich dachte, Sammy sei es gewesen.« Naomi überkreuzte die Beine zum Schneidersitz und zog sich einzelne Blätter von den verdreckten Socken. »Ich habe gespürt, dass noch jemand da war.«
»Ich habe lange überlegt, ob ich aus dem Dickicht kommen und mich vorstellen soll.« Kai zog sich das Sweat-Shirt über den Kopf. »Na ja, dann war ich sicher, dass du Angst vor mir haben würdest. Also habe ich es gelassen.«
Naomi sah verlegen auf den Boden, als Kai auch das T-Shirt, die Hose und seine Unterhose ablegte. Anschließend rollte er sich in Embryostellung zusammen. »Du bist dran. Ich schaue auch weg.« Ihn schien seine Nacktheit nicht zu stören. »Du musst vor Hitze umkommen. Unsere Körpertemperatur erhöht sich vor der Verwandlung auf über vierzig Grad. Warum das so ist? Eventuell das Adrenalin. Ich habe gelesen, dass Katzen eine höhere Körpertemperatur als Menschen haben. Vielleicht liegt es auch daran.«
Naomi zog sich nur zögerlich aus, obwohl Kai richtig lag. Ihr war heiß. Am liebsten hätte sie sich die Kleidung vom Leib gerissen. Ihr Schamgefühl war aber zu groß. Es war ihr schon unangenehm, ohne Slip und Büstenhalter in Kais Jogginganzug zu stecken. Obwohl Kai demonstrativ seinen Blick abwandte, drehte sie sich weg und wandte ihm nur den Rücken zu, als sie schließlich die Kleidung ablegte. Sie setzte sich auf eine Wurzel, ihre Arme fest um die angezogenen Beine geschlungen.
Naomi streckte sich, als sie zu sich kam. Sie öffnete die Augen. Der Mond warf lange Schatten auf die Lichtung. Ohne sich zu bewegen, suchten ihre Augen die Umgebung ab. Sie machte sich klein, um weniger sichtbar zu sein.
»Keine Angst. Ich bin hier. Beruhige dich.« Kais Stimme klang in ihrem Kopf. Naomi wurde ruhiger.
»So ist es besser«, meinte Kai. »Alles in Ordnung? Du hattest die Ohren ganz flach am Kopf angelegt.«
»Dir bleibt auch nichts verborgen, oder?« Naomi erhob sich. Ihre Ohren richteten sich auf. Sie blickte sich suchend um. Von Kai keine Spur. »Wo steckst du?«
Naomi sah sich weiter um. Nachdem sie Kais Stimme nur in ihrem Kopf hörte, konnte sie nicht erkennen, wo er tatsächlich war.
»Hier oben.« Kai lag hoch oben in der Ulme auf einem Ast. Seine linke Vorderpfote baumelte in der Luft, ebenso sein Schwanz, der hin und her schwang. Wären nicht seine grün funkelnden Augen gewesen, hätte Naomi ihn übersehen. »Was machst du da oben?« Sie schob sich rückwärts, um besser hochsehen zu können, stolperte über ihre Hinterbeine und fiel seitlich auf den Waldboden.
Kai schnurrte leise. »Na, was wohl? Den Blick genießen.« Er legte seinen Kopf auf dem Ast ab.
Naomi rappelte sich auf die Beine. Er machte sich über sie lustig. »Sehr witzig. Komm runter.« Ihr Schwanz peitschte angriffslustig hin und her.
»Komm du doch hoch.«
Naomis Ehrgeiz war geweckt. Sie versuchte einige Schritte, beschleunigte und schaffte es an das Ende der Lichtung, ohne zu stolpern. Sie drehte sich um und fixierte den Baum.
»Hey, lass den Quatsch. Das war ein Witz!«, hörte sie Kais Stimme.
Naomi nahm Anlauf und sprintete los.
Kais Stimme dröhnte verärgert: »Stopp! Spinnst du?«
Sie ignorierte ihn, raste auf die Ulme zu und setzte zum Sprung an. Instinktiv fuhr sie die Krallen aus, schlug sie fest in die Rinde. Der Aufprall schüttelte ihren Körper durch, ihr Kopf schlug hart an den Stamm. Reglos klebte sie einen Moment am Baum, unfähig weiterzuklettern oder auch nur loszulassen. Sie umarmte die Ulme mit den
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