Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Vorderpfoten. Die Hinterpfoten suchten vergeblich nach Halt. Ein wütendes Fauchen drang aus ihrer Kehle.
»Naomi, lass los.« Kai war von seinem Ast aufgesprungen. Er kletterte einige Äste nach unten und sah auf sie herab. »Zieh die Krallen ein.«
Naomi gehorchte dieses Mal ohne nachzudenken. Ihre Krallen lösten sich aus der zerfetzten Rinde. Ihr Körper fiel ins Leere. Sie versuchte sich auf den Bauch zu drehen und mit dem Schwanz zu steuern. Sie spürte deutlich, dass sie den Fall beeinflussen konnte. Euphorie ergriff sie, bevor sie hart auf dem Waldboden aufprallte und sich überschlug. An der Schulter glänzte ihr Fell feucht. Sie blutete. Sie rollte sich ein, um ihre Wunde zu lecken.
Kai drehte sich und ließ sich rückwärts am Baumstamm entlang herunter, bis er sich für den letzten Sprung wegdrehte, am Stamm abstieß und mit vollendeter Eleganz neben Naomi zum Stehen kam. »Verdammt noch mal! Was zum Teufel treibst du eigentlich?«
Naomi ignorierte ihn. Ihre Zunge leckte weiter über die Risswunde. Kai stupfte sie an. »Lass mal sehen.« Er beugte sich vor. »Es ist nur ein kleiner Riss. Was hast du dir dabei gedacht?«
Naomis Schwanz peitschte hektisch hin und her. Sie drehte sich herum und starrte ihn an. Ihre Schnurrhaare richteten sich deutlich nach vorn, sie zog den Hals ein und faltete die Ohren zur Seite. Sie war stinksauer. »Ich wollte da hoch. Was denn sonst!«
Kais Körper verkrampfte sich. Er stellte sich leicht seitlich und streckte die Beine durch, was seinen Körper doppelt so groß erscheinen ließ. Naomi erschrak. Sie war auf Angriff aus gewesen, ihr Körper musste sie verraten haben. Kais Reaktion demonstrierte Gegenwehr. Seine Abwehrhaltung währte nur einen kurzen Moment, bevor er sich setzte und sie fixierte. »Du benimmst dich wie ein Kleinkind. Dachtest du wirklich, du kommst da hoch?«
Naomi fauchte und drehte sich weg.
»Du kannst kaum gehen und willst schon springen? Also gut, dann lauf mal los.«
Kai stand auf und trabte über die Lichtung. Naomi zögerte, bevor sie ihm folgte. Es war keine Zeit, sich zu sträuben oder zu streiten. Um stärker zu werden, musste sie trainieren. Zunächst streckte sie sich kurz, um ihre verletzte Schulter zu testen. Ein diffuser Schmerz war alles, was sie spürte. Den konnte sie ignorieren. Nie wieder würde sie so leichtsinnig sein. Kai sollte ihr alles zeigen, sie trainieren; sie würde ihm folgen, bis sie gut genug war, alleine zu üben. Bis dahin wollte sie sich zurücknehmen und keine Extratouren mehr fahren. Naomi machte einige Schritte, bevor sie in gemächlichen Trab fiel. Schweigend liefen sie mehrere Runden. »Na also, es geht offenbar auch anders.«
Naomi verkniff sich eine Antwort und trabte konzentriert weiter. Nach einer Stunde fühlte sie sich sicher und begann Baumstämme zu überspringen. Kai trottete neben ihr her.
»Fang mich«, forderte Kai sie auf und kniff ihr in den Hinterlauf, bevor er losspurtete.
Naomi drehte sich um die eigene Achse und verfolgte Kai, der wilde Haken schlug. Naomi setzte ihm nach. Automatisch nahm sie den Schwanz zu Hilfe, um die schnellen Richtungswechsel zu steuern und auszubalancieren. Kai war schneller. Naomi bemerkte frustriert, wie er ihr jedes Mal entwischte. Sosehr sie sich auch konzentrierte und versuchte, seine Bewegungen zu erahnen, um ihn auf diese Weise zu überraschen, waren ihre Wendungen doch zu grob und zu langsam.
Kai trabte gemächlich um sie herum, während sie versuchte, ihn durch einen Sprint zu erreichen. Er machte nur eine geschmeidige Bewegung zur Seite, und sie stürmte an ihm vorbei ins Leere. Mit einem wütenden Fauchen drosch sie auf einen Haselnussstrauch ein.
»Hey, sei nicht so hart mit dir. Du machst deine Sache wirklich gut.« Kai kam auf sie zu. Seine Pfoten setzte er elegant voreinander.
Sein Gang erinnerte Naomi an den eines Laufstegmodels, während sie selbst sich wie ein Bauerntrampel vorkam. Sie hechelte mit offener Schnauze, um sich Kühlung zu verschaffen.
Kai ließ sich auf die Seite gleiten, legte die Vorderpfoten übereinander und demonstrierte ihr seine gewaltige Brust.
Sie setzte sich aufrecht hin, um sich nicht noch kleiner vorzukommen. »Nicht mal in deine Nähe bin ich gekommen.«
Kai putzte sich die Vorderpfote und fuhr sich damit über die Nase. »So weit kommt´s noch, dass mich ein Anfänger erwischt.«
Naomi hechelte immer noch. »Wie komme ich auf so einen Baum?«
»Rauf ist nicht schwer. Die Frage ist eher, wie kommst du wieder
Weitere Kostenlose Bücher